Kurzfilme zu den Denkmälern
Seit ein paar Jahren existiert die Website www.denk-mal-gegen-krieg.de, auf der die Evangelische Akademie sich kritisch mit der bestehenden Erinnerungskultur auseinandersetzt. Die häufigsten Erinnerungsmale an die vergangenen Kriege sind Kriegerdenkmäler, auf denen der Soldatentod verklärt und die zivilen Opfer verschwiegen werden.
An einigen Orten produzieren wir kurze Videos und stellen sie online. Den Film über die Denkmalsanlagen in Ratekau können Sie hier sehen: YouTube> und die Einführung zur Filmreihe bei YouTube>
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I N H A L T
• Das Denkmal
• Das Denkmal zum 2. Weltkrieg
• Die Gedenkwand der Heimat
• Aus der Geschichte
• Das »Ehrengrab« auf dem Friedhof
• Volkstrauertag 2019
• Die Recherche
• Das Schulprojekt
• Volkstrauertag 2021
• Volkstrauertag 2020
• Pastor Hossenfelder
• Der Stahlhelm
• Das Eiserne Kreuz
• Das Denkmal 1870/71
• Die Eiche für Kaiser Wilhelm I.
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Ratekau, Kreis Ostholstein
Vor, an und um die Vicelinkirche herum
Rechts und links vom Zugang in den Kirchhof steht je ein vierstufiger Pfeiler aus behauenen Feldsteinen. Oben aufgestellt ist ein steinernes dreidimensionales Eisernes Kreuz. Die beiden Pfeiler mit den Inschriften und die Mauer mit den 179 Namenssteine um die Kirche herum sind den toten Soldaten aus dem 1. Weltkrieg gewidmet. Der bekannte Lübecker Gartenbauarchitekt Harry Maaß hat die Anlage gestaltet. Am 23. Juli 1922 ist sie eingeweiht worden.
In die trutzigen Pfeiler wurde je ein größerer, rechteckiger Stein für die Inschriften eingefügt.
Inschrift auf dem linken Pfeiler:
So selig ist kein Los
So heilig kein Gebot
Als sich für vieler Leben
Zu geben in den Tod
1914 – 1918
Diese vier Zeilen sind dem Gedicht eines Unbekannten entnommen:
Kein Rätsel ist so groß,
so bitter keine Not,
als daß sich alles Leben
muß heben aus dem Tod.
So selig ist kein Los,
so heilig kein Gebot,
als sich für vieler Leben
zu geben in den Tod.
Es ist zu verschiedenen Zeiten in völlig unterschiedlichen Zusammenhängen benutzt worden. Zum Beispiel wurde mit dem Gedicht in der evangelischen Kirche in Lorsch der toten Soldaten des 1. Weltkriegs gedacht, zwischen den Weltkriegen stand es an der Wand im Treppenhaus der Universität Halle und Bischof Dr. Otto Dibelius zitierte es in seiner Predigt am 20. Juli 1960 in der St. Annen-Kirche, Berlin.
Inschrift auf dem rechten Pfeiler:
Ihren gefallenen
Vätern und Söhnen
in dankbarer Treue
die Kirchengemeinde Ratekau
1922
Obwohl der 1. Weltkrieg so viele Menschenleben forderte und der Krieg verloren wurde, wird der Kriegstod in den Inschriften als sinnvoll interpretiert, für den man den Soldaten danken muss. Das anonyme Massensterben, das Grauen des Krieges wird vom Denkmal verbannt. Das »Vaterland« forderte Treue bis in den Tod von den Soldaten. Der Mythos der Treue, der die Kameraden, der die militärische Führung vom Kaiser bis zum Unteroffizier und die Soldaten zusammenschweißen soll, verpflichtet nun die Hinterbliebenen. Deren dankbare Treue wurde hier auf ewig in den Stein gemeißelt.
Hinter dem linken Pfeiler beginnen wir unseren Gang um die Vicelinkirche. Um und an der Kirche sind die 179 Namenssteine der toten Soldaten aus dem 1. Weltkrieg des Kirchspiels Ratekau eingemauert.
Eine niedrige Mauer aus behauenen bunten Feldsteinen fasst den gesamten Kirchhof ein.
Einzelne größere Steine ragen ober heraus, sie tragen die eingemeißelten Namen. Es werden die mit dem Initial abgekürzten Vornamen und die Nachnamen genannt. Weder Dienstgrad, Geburts- oder Sterbedatum, noch Sterbeort, wie sonst oft üblich.
Die lange Reihe von Soldatennamen wird an beiden Seiten des Kirchhofs durch Zugänge unterbrochen. Die Namenssteine gehen mit um die Ecke.
Die Mauer zieht sich mit Schwüngen, fast wie in einem Barockgarten, weiter um die Kirche. Nach einem Rundbogen hinter der Kirche setzt sie sich in gleicher Art auf der anderen Seite fort. An markanten Stellen sind weitere Eckpfeiler eingezogen.
Die rechte Seite der Namenssteinmauer: Besucher schreiten auch hier wieder gewissermaßen »die Front der Gefallenen« ab. Ganz hinten vor der Mauer sehen wir den Denkmalsstein zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 (siehe weiter unten), im Vordergrund links gucken wir auf den Kirchspielstein von Ratekau. Die 179 toten Soldaten des 1. Weltkriegs kamen aus den zahlreichen Gemeinden des Kirchspiels: Sereetz, Pansdorf, Wilmsdorf, Offendorf, Klein Timmendorf, Groß Timmendorf, Ovendorf-Hobbersdorf, Neuhof, Timmendorfer Strand, Techau, Hemmelsdorf, Luschendorf, Grammersdorf und Rohlsdorf.
Weiter geht’s am Kirchgebäude, selbst dort mussten noch Namenssteine untergebracht werden! Der Fuß des Turms wurde dafür 1922 zusätzlich ummauert. In »Vaterländische Blätter« (siehe unten) steht, dass die Steine am Turm die vermissten Soldaten nennen.
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Das Denkmal zum 2. weltkrieg
Der breite Aufgang zur Kirchentür wird an den Seiten von höheren Feldsteinmauern gesäumt. Auf der rechten Seite sind verschiedene Elemente »zum Gedächtnis« der »Gefallenen« und »Vermissten« des 2. Weltkriegs eingefügt.
Auf dieser, wie auch auf der anderen Seite sind vom Anfang bis zum Pfeiler je fünf steinerne Kranzhalter eingemauert.
Hier sehen wir das zentrale steinerne Monument. Es wird oben mit einem Schriftband abgeschlossen. In erhabenen Buchstaben steht dort:
ICH LEBE UND IHR SOLLT AUCH LEBEN
Dahinter zweizeilig in kleineren Buchstaben:
JOH. 14
Vers 19
Jesus Christus spricht diesen tröstenden Satz im Johannesevangelium.
Die rechteckige Fläche darunter ist in ein Puzzle aus rechteckigen Steinen, die unterschiedlich hohe, unterschiedlich dekorierte Kreuze formen. Unter dem Schriftband sind zwei Steine eingefügt, die die Jahreszahlen des 2. Weltkriegs tragen.
1939
1945
Die Zwischenräume sind mit rechteckigen Steinen ausgefüllt worden, so dass ein großes Puzzlebild entstanden ist.
Die beiden kleineren Kreuze haben eine erhabene innenliegende Kontur und je ein Symbol in gleicher kräftiger Linienstärke.
Links sehen wir den griechischen Buchstaben Alpha, rechts den Buchstaben Omega. Alpha und Omega, der erste und der letzte Buchstabe des klassischen griechischen Alphabets, sind ein Symbol für Anfang und Ende, damit für das Umfassende, für Gott. Die Bibelstelle lautet: Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, spricht Gott der Herr, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige. Offenbarung 1, 8.
Christliche Symbole und Bibelzitate sollen dem Soldatentod eine religiöse Weihe und damit einen Sinn geben.
»Die Gedenkstätten sind ausnahmslos Ausdruck des Bedürfnisses, das Gedenken an den Tod der Soldaten zu sakralisieren, also zu etwas Heiligem zu stilisieren. In Form von Kreuzen, Säulen, Räumen der Stille oder Plastiken wird nicht der Tod, sondern der vorgebliche Sinn dieses Todes dargestellt [...] Die Sakralisierung schirmt die Gedenkorte auch gegen Widerspruch ab, denn wer würde in einem Raum der Stille oder vor einem Kreuz laut protestieren?«
• Clemens Tangerding, Für Deutschland gestorben, Beitrag des Deutschlandfunks vom 18.11.2012
Auf den drei größeren Kreuzen sind Bäume dargestellt, in der Mitte ein Eichbaum, aussen Lorbeerbäume. Es scheinen junge Bäume zu sein, die noch wachsen werden.
»Die Eiche ist knorrig. So kann man sich auch die alten Germanen vorstellen, weniger die feinsinnigen Römer. Die Eiche ist überdauernd. Das wollten auch die Deutschen im Heiligen Römischen Reich. Die Eiche ist standfest. Treue, unerschütterliche Souveränität schrieben die deutschen Fürsten und Könige auf ihr Panier – und nach ihnen Adolf Hitler. Mit der Reichsgründung 1871 und dem Gefühl nationaler Einheit zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen, Orden und dergleichen diente es in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches. Das Parteiabzeichen bzw. Parteisymbol der NSDAP hatte von 1920 bis 1945 einen Adler als Zeichen, der einen Eichenkranz in seinen Fängen hielt. Unerschütterlich ›wie die deutsche Eiche‹ und ähnliche Sprüche ließ die NS-Propaganda ab 1933 in Zeitungen veröffentlichen und über Lautsprecher verkünden.«
• Wolf Stegemann, 20. Januar 2014 auf der Website >www.rothenburg-unterm-hakenkreuz.de
Rechts und links sind Schrifttafeln in die Mauer eingelassen. Auf der linken Seite steht »DEN GEFALLENEN ZUM GEDÄCHTNIS«. Das Wort »Gefallene« sagt uns, dass es bei diesem Denkmal um ein Erinnern an tote Soldaten geht.
»Die Überhöhung des soldatischen Opfers lässt sich nicht nur an den Kriegerdenkmälern ablesen, sondern auch am Siegeszug einer Metapher: ›der Gefallenen‹. [...] Ihre Stunde schlug im ersten Weltkrieg, als die unterschiedslose und massenhafte Vernichtung der Soldaten nach sprachlicher Bewältigung verlangte. Die Bezeichnung ›Gefallene‹ eroberte jetzt Inschriften und Ansprachen, Briefe und Statistiken.
Im Wort ›fallen‹ verschmolzen Abschiedsschmerz und Opfermythos, und mit jeder Verwendung wurde diese Verbindung abgerufen und bestätigt. Zugleich ließ sich der Ausdruck wie eine Abkürzung verwenden. Je selbstverständlicher wurde, dass ein Soldat der ›fiel‹, dies für das Vaterland, das Volk oder wofür auch immer tat, umso eher ließ sich auf die immer neue Benennung dieser Opferziele verzichten. Deren Gefühlswert übertrug sich auf das Wort ›fallen‹, das zur Chiffre all dieser Sinnstiftungen aufstieg. Wer gefallen war, der war jetzt stets schon für die vermeintlich gute Sache gestorben, der hatte seine Opferbereitschaft bewiesen.«
• Klaus Latzel, ZEITGeschichte 4/2018, S.100
»Die Entscheidung für Metaphern deutet darauf hin, dass das Grauen des Kriegstodes vom Denkmal verbannt werden sollte. An den geliebten Menschen möchte man sich nicht im Zustand seiner Hinfälligkeit erinnern, sondern ihn als kraftvollen Menschen im Gedächtnis bewahren. Das am häufigsten verwendete Wort ›Gefallener‹ (oder ›gefallen‹) schließt die Dimension des Kraftvollen in seine Definition ein. Die Vorstellung eines ritterlichen Turniers leuchtet auf. Nur ein Aufrechter kann zum Gefallenen werden.«
• Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S. 60/61
»›Gefallenendenkmal‹ verweist auf das Wort ›fallen‹, dem Wörter wie ›hinfallen‹ aber auch ›fällen‹ zuzuordnen sind. Der Tod im Krieg versinnbildlicht sich in diesen Wörtern. Er entkleidet sich im Wort ›fallen‹ seines Schreckens, im Wort ›fällen‹ verkleidet er sich in einen starken Baum, der von einem Naturereignis (Blitzschlag) oder einem übermächtigen technischen Mittel (Axt, Säge) umgelegt wurde. Es ist ein aseptischer Tod, der nichts mit den apokalyptischen Bildern gemein hat, die beispielsweise Erich Maria Remarque und Wolfgang Borchert in der Literatur oder Otto Dix in der bildenden Kunst hervorrufen: zerfetzte Gedärme, verpestete Lunge [...] Für das Fallen ist niemand so recht haftbar zu machen: der Schnee fällt, die Aktienkurse fallen – das Schicksal waltet hier wie dort. [...] Die deutsche Sprache bevorzugt auch dafür einen schönfärbenden Ausdruck: ›im Felde gefallen‹ oder ›auf dem Felde der Ehre gefallen‹. Nicht auf ein ›Gefallenendenkmal‹ gehörten demnach alle, die beim Beschuss der Unterkunft, im Lazarett, auf dem Transport oder in Gefangenschaft ums Leben kamen.«
• Ebd., S.22
Auf der rechten Seite steht »DEN VERMISSTEN ZUM GEDÄCHTNIS«.
»Doch nur scheinbar stellt sich das Kriegerdenkmal dem Vergessen in den Weg. Tatsächlich befördert es das Vergessen, indem es nur ausgewählte Aspekte des Geschehenen repräsentiert: Wirkungen ohne Ursachen, Geschehnisse ohne Geschichte, Ergebnisse ohne Prozesse, Namen ohne Persönlichkeit, Opfer ohne Täter. ›Auf welchem dieser steinernen oder metallenen ›Ehrenmale‹ wurde beim Namen genannt, für wen oder was gestorben worden ist? Kein Wort von nationaler Machtpolitik, von Hegemonialstreben, nackten Besitzinteressen, Beutegier, Eroberungsgelüsten und Weltherrschaftsphantasien, für die Millionen von deutschen und fremden Soldaten umgekommen sind. Diese Motive werden ebenso wenig genannt wie die Namen derer, die in den beiden Weltkriegen aus dem Massensterben Profit geschlagen, Blut in Gold verwandelt und zu ihrem eigenen militärischen Ruhm gewissenlos ganze Armeen geopfert haben.‹ [Ralph Giordano, Die zweite Schuld, S. 324].«
• Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S. 29
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Die Gedenkwand der Heimat
Auch auf der linken Steinwand sind fünf Kranzhalter eingemauert.
Zwei einfache Steinbänke rahmen die zentrale Tafel ein.
DEN TOTEN DER
HEIMAT ZUM GEDEN=
KEN / DEN LEBENDEN
ZUR MAHNUNG
steht darauf, die letzte Zeile schließt mit einem Blattsymbol ab. Die Zeilen sind hier ausgeblockt, die erste ist eingezogen, es wurde eine andere Schrifttype gewählt, ansonsten ähnelt die Tafel den Gegenüberliegenden.
Ein rätselhaftes Blattsymbol: ein größeres legt sich um das kleinere Blatt, der Stiel ist wie ein Eisernes Kreuz gearbeitet. Hat das eine Bedeutung? Wir wissen es nicht.
Wer ist mit den Toten der Heimat gemeint? Welche Mahnung sollen die Lebenden erhalten? Erklären es die Namenssteine rechts und links der Tafel?
Auf beiden Seiten sind die Namen von einer Stadt und sechs Provinzen in einzelne Mauersteine eingemeißelt. Auf der linken Seite:
DANZIG
GRENZMARK
SCHLESIEN
POMMERN
Auf der rechten Seite:
OSTPREUSSEN
BRANDENBURG
WESTPREUSSEN
Das sind Namen von Gebieten, die nach dem 1. Weltkrieg, bzw. nach dem 2. Weltkrieg für Deutschland verloren gingen. Nach dem verbrecherischen Angriffskrieg Nazi-Deutschlands mussten sie ganz oder im Fall von Brandenburg zum Teil, endgültig abgetreten werden.
Wir müssen nun annehmen, dass mit den »Toten der Heimat« nicht die Opfer der nationalsozialistischen Rassenpolitik, nicht die Opfer der als »Euthanasie« bezeichneten Krankenmorde oder die zu Tode gekommenen Zwangsarbeiter gemeint sind, sondern ausschließlich die Geflüchteten und Heimatvertriebenen.
»Ein Mahnmal mahnt so wenig wie
ein Denkmal denkt und ein Grabmal gräbt
man wollte sie nicht vergessen, die Burschen
man wollte allerdings vergessen die Tränen.«
• Georg Schwikart
Im Artikel der Lübecker Nachrichten zum Volkstrauertag 2020 (siehe weiter unten) steht Genaueres zur Entstehung der Gedenkwände: »›Gestaltet wurde dieses ›Spalier‹ anlässlich der 800-Jahrfeier in Ratekau 1956‹, berichtet Lehrer Günter Knebel, ›und zwar unter der Federführung des damaligen Pastors Joachim Hossenfelder‹. Dieser trat 1929 der NSDAP bei, war 1933 Reichsleiter der antisemitischen Glaubensbewegung ›Deutsche Christen‹ und nach dem Krieg von 1954 bis 1969 Pfarrer in Ratekau.«
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Aus der Geschichte
Die Anlage für die 179 Namenssteine zum 1. Weltkrieg hat der bekannte Lübecker Gartenbauarchitekt oder, wie er in »Vaterstädtische Blätter« 1922 genannt wird, der Ober-Garteninspektor Harry Maaß gestaltet. Er hat auch den Ehrenfriedhof in Lübeck >, die Gedenkanlage auf dem Wehrberg in Preetz >, die in Klein Wesenberg > und viele andere mehr geschaffen.
Zur Gestaltung in Ratekau sagte er: »Richtlinien für die Gestaltung der Gedächtnisstätte gab das aus Feldsteinen errichtete Gebäude – Turm und Kirche. Es war schwierig, dem Bau der Kirche und des Turmes etwas Überzeugendes an die Seite zu stellen, zumal die Namen der Gefallenen zum Ausdruck gebracht werden sollten und ein Denkmal in irgendwelcher Form durch die Wucht des Turmes immer erdrückt werden würde. Es blieb nichts übrig, als der Kirche mit dem Turm eine Basis zu geben in Form eines um den Bau geleiteten Hofes, der durch die Mauer begrenzt wurde. [...]
Auf dieser Mauer selbst ragen um wenige Zentimeter die Namenssteine heraus. Schlichte Schrift, dunkel ausgelegt, nennt den Namen des Gefallenen.«
Der Zugang zur Kirche ist zugleich Zugang zur Gedächtnisstätte. Harry Maaß schreibt, dass links und rechts hinter dem Mäuerchen Beete mit Immergrün gepflanzt wurden, um dort Kränze ablegen zu können.
»Vaterländische Blätter« Nr.25, 10. September 1922, S.1+2
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Das »Ehrengrab« auf dem Friedhof
Es ist sehr gepflegt mit sauber gestutzter Bepflanzung und umschließender Hecke, die Kirchengemeinde ist verpflichtet, es in »Ehren« zu halten.
Auf dem hinteren Teil des mit großen Steinplatten und kleinen Granitsteinen gepflasterten Mittelteils steht ein Gedenkstein. Was liegt davor?
Wir glauben es kaum: ein Stahlhelm der Deutschen Wehrmacht. Das hatten wir bisher noch nicht gesehen. Wir haben ein Kriegerdenkmal zum 2. Weltkrieg besucht, da war er geklaut. Eine Gemeinde hatte ihn von sich aus entfernt. Zum Grab des Großadmirals Dönitz in Aumühle bringen die Neonazis den Helm immer mit und nach ihrer Feier packen sie ihn wieder ein. Hier in Ratekau liegt also einer auf dem kirchlichen Friedhof.
Im Internet bieten eine Menge Militaria-Händler »Original-Stahlhelme der Deutschen Wehrmacht« zum Kauf an. Auch ein »Kinderhelm wie Stahlhelm M35 Wehrmacht Luftwaffe« für 190 Euro ist im Angebot. Ein T-Shirt, das Amazon anpries mit dem Aufdruck »SS-Stiefel, die besten Wanderschuhe aller Zeiten« wurde erst nach scharfen Protesten aus dem Sortiment genommen.
»Früher musste der Wehrmachtsfan noch in schmuddelige Militaria-Läden schleichen oder dreimal nachdenken, ob er seine Adresse bei einschlägigen rechtsextremen Versandhäusern hinterlassen will. Dank Amazon genügt jetzt ein Klick und der Wehrmachtsstahlhelm liegt auf dem Gabentisch«, empört sich die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke auf www.stimme.de. SPD-Vorstandsmitglied und Juso-Chef Kevin Kühnert sagt dazu: »Ein angemessener Schritt wäre, die bisherigen Gewinne aus diesen Produkten an Gedenkstätten der Opfer des Nationalsozialismus zu spenden.«
Mehr dazu auf www.stimme.de: Stahlhelm unterm Christbaum
Auf einer schwarzen eingelassenen Tafel steht die Inschrift:
Hier ruhen
8 tapfere Deutsche,
die am 2. Mai 1945
für das Vaterland
gefallen sind
8 tapfere Deutsche? Wir entdecken 9 kleine dunkelbraune Keramiktafeln. Wer ist denn kein tapferer Deutscher? Etwa Virginia Boureanu, weil sie eine Frau ist oder Friedrich Maschewski, weil er als einziger nicht am 2. Mai 1945 sondern am 21. August 1944 gestorben ist?
Am 2. Mai 1945 für das Vaterland gefallen! Am 30. April hatte sich Reichskanzler Adolf Hitler seiner Verantwortung durch Selbstmord entzogen, am 2. Mai ist der Kampf um Berlin zu Ende. Dass an diesem Tag noch Menschen für »das Vaterland fallen« mussten, darüber muss man verzweifeln.
Was ist da am 2. Mai 1945 in Ratekau passiert?
»Der Krieg ist Anfang April 1945 eigentlich entschieden. In Jalta beraten die USA, Frankreich, Großbritannien und die Sowjetunion Anfang Februar schon über eine Nachkriegsordnung. Aber statt aufzugeben, werfen die Nazis immer noch alles, was verfügbar ist, in die letzte Schlacht. Alte Männer werden zum ›Volkssturm‹ eingezogen, Kinder der Hitlerjugend werden mit Panzerfäusten auf die Straßen geschickt. An vielen Orten im ganzen Reich werden zahlreiche Menschen noch als ›Verräter‹ hingerichtet. Bis zum Schluss fällten Standgerichte von Wehrmacht und SS tausende Todesurteile gegen deutsche Soldaten und Zivilisten.«
• Landeszentrale für politische Bildung Baden-Würtemberg
Lesen Sie weiter auf der Website
Über der Texttafel sehen wir ein eingeritztes Eisernes Kreuz. Neben diesem militärischen Ehrenzeichen ist die Darstellung des Stahlhelms das meist gezeigte Symbol auf Kriegerdenkmälern.
... und hier auf dem Friedhof in Ratekau haben wir ihn im Original.
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Volkstrauertag 2019
Eine Abordnung aus der Eutiner Bundeswehr-Kaserne steht wie jedes Jahr mit Sturmgewehr an den Denkmälern zum 2. Weltkrieg.
Vor der Kirche hängen weiße Schleifen an den Kränzen.
Fotos: https://kameradschaft-aufklaerer-eutin.de
Beim Stahlhelm der Deutschen Wehrmacht muss es schon Schwarz-Rot-Gold sein!
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Die Recherche
Weiter oben und in unserem Film über die Denkmäler in Ratekau haben wir uns und die Ratekauer gefragt, was wohl an diesem 2. Mai 1945 passiert ist. Und unsere Frage wurde gehört: Günter Knebel, Lehrer an der Cesar-Klein-Schule schrieb uns und berichtete von seinen Recherchen:
»Abgesehen von den falschen Angaben ist die Inschrift, dass am 2. Mai 1945 acht tapfere Deutsche für ihr Vaterland gestorben sind, in dieser Formulierung mehr als zynisch.
Wir kennen nicht die genauen Umstände, was diese Menschen am 2. Mai auf der Chaussee zwischen Pansdorf und Techau gemacht haben. Es ist sechs Tage vor dem Ende des 2. Weltkrieges und zwei Tage vor Ende der Kriegshandlungen in diesem Teil von Schleswig-Holstein.
Die Straßen sind voll von Flüchtenden und wohl letzten deutschen Truppen und Angehörigen des Volkssturms, die noch meinen, Deutschland bis zum Endsieg verteidigen zu müssen. Die englischen Truppen sind überall im Vormarsch und werden aus der Luft von der englischen Luftwaffe unterstützt.
Am 2. Mai 1945 ist es auf der Landstraße zwischen Techau und Pansdorf im Kreis Eutin zu einem Tiefliegerangriff auf Personen, die sich auf der Straße bewegten, gekommen. Kurt Gosch, ein Landarbeiter aus Pansdorf, hat wohl am nächsten Tag die Toten auf und neben der Straße entdeckt. Er hat sich von seinem Bauern ein Pferdegespann geben lassen, die Toten eingesammelt und zum Friedhof nach Ratekau gebracht. Dort wurde er bereits von englischen Soldaten empfangen. Ein Tag nach diesem tödlichen Ereignis war für die Dörfer und die Menschen des Kreises Eutin der Krieg beendet.
Die erst 19jährige Virginia Boureanu wird im Sterberegister der evangelischen Kirche Ratekau als Flakhelferin bezeichnet. Wie kam sie zu dieser Funktion? Hat sie sich freiwillig dazu gemeldet? Wurde sie dazu gezwungen? Wir wissen es nicht.
Deutet das sehr unterschiedliche Alter der Gestorbenen darauf hin, dass sich die Personen als letzte zur Verfügung stehende Menschen der sich seit Monaten abzeichnenden Niederlage Hitlerdeutschlands noch entgegen stellen wollten, sollten oder mussten?
Das Ganze ist besonders tragisch angesichts des Zeitpunkts. Ein oder zwei Tage später sind die Kampfhandlungen beendet und die neun Gestorbenen hätten überlebt. Die Aussichtslosigkeit ihres Handelns hätte ihnen vielleicht, aber besonders den Verantwortlichen bewusst sein müssen.
Das Tragische an der Situation ist auch, dass zu diesem Zeitpunkt gerade einige führende Nationalsozialisten dabei sind, sich in Schleswig-Holstein zu verstecken und damit sich ihrer Verantwortung zu entziehen, so wie Heinrich Himmler (Reichsleiter der SS) und Rudolf Höss (Kommandant des KZ Auschwitz). Einfache Soldaten und Helfer müssen dagegen noch ihr Leben opfern.
Mit diesem Wissen nach dem Krieg eine Inschrift zu einem Grab von kurz vor der Befreiung gestorbener Menschen mit den Worten, dass sie für ihr Vaterland gestorben sind, ist mehr als zynisch.
Dazu passt die martialische Gestaltung des Grabes mit einem Stahlhelm als Zeichen des Kampfes für eine gerechte Sache, hier wohl gemeint zur Verteidigung des Vaterlandes.
Wir wissen nicht, was dazu führte, dass diese Menschen Angriffsziel englischer Flugzeuge wurden. Ich meine, dass sie und die Menschen, die ihrer gedenken, eine andere Würdigung verdient haben.
Zu den Personen im Sammelgrab gibt es folgende Informationen:
• Virginia Boureanu: 13.2.1926–2.5.1945, rumänische Staatsangehörige, Flakhelferin
• Paul Hirschel: 23.2.1899–2.5.1945, Soldat aus Kummersdorf
• Johannes Jans: 29.7.1901–2.5.1945, Wirtschafter aus Seegalendorf (Ostholstein), im Sterbeverzeichnis: Unbekannter älterer Mann in einfacher Kleidung, wohl Arbeiter, Flüchtling
• Friedrich Jabs: gestorben 2.5.1945, Volkssturmmann, Stettin, Jabs nicht Japs wie auf der Grabtafel!
• Heinrich Klemm: 18.1.1908–2.5.1945, Seeflieger, Unteroffizier
• Friedrich Maschewski: 3.4.1869 in Kaisersdorf/UdSSR–21.6.1944, 75 Jahre alt geworden, Landarbeiter in Neuhof, sowjetischer »Umsiedler«, am 21.8. (nicht am 21.6. wie auf der Grabtafel) an Herzschwäche gestorben. Beerdigt am 24.8. Warum liegt er in dem Grab?
• Jean van Damme: 24.9.1925 –2.5.1945, Belgier, Angehöriger der paramilitärischen Organisation Todt, van Damme nicht Dame wie auf der Grabtafel.
• Militärangehöriger, angeblich Major, verstümmelt
• Unbekannter, Infanterist
• Alwine Baumgart, geb. Bothe, 30.10.1905 in Hannover –2.5.1945, ein weiteres Opfer des Fliegerangriffs, wurde durch eine Bombe von der Firstwand ihres Hauses erschlagen. Sie wurde nicht im Sammelgrab beerdigt.«
Wir danken Günter Knebel und wünschen ihm viel Erfolg für seinen Wunsch, die Geschichte dieser in den allerletzen Kriegstagen ums Leben gekommenen Menschen zu erzählen und ihrer würdig zu gedenken.
Am 25. September 2020 erreicht uns die Nachricht, dass es mittlerweile einen Wahlpflichtkurs mit 10 Schüler*innen des 10. Jahrgangs der Cesar-Klein-Schule gibt, die mit ihrem Lehrer Günter Knebel an der Aufklärung der Kriegerdenkmäler in der Gemeinde Ratekau arbeiten.
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Das SchulProjekt
In der Ausgabe zum Volkstrauertag am 15. November 2020 der Lübecker Nachrichten erscheint ein fast ganzseitiger Artikel über den Wahlpflichtkurs »Denk mal« der Cesar-Klein-Schule. Redakteurin Sabine Latzel schreibt: »Wie umgehen mit dem Gedenken an die beiden Weltkriege? Diese Frage beschäftigt engagierte Menschen in Ratekau. Dabei stehen das Ehrengrab auf dem Ratekauer Friedhof und die Gedenkstätte am Aufgang zur Feldsteinkirche im Zentrum – und in der Kritik. Veränderungen regen die Beteiligten eines Schulprojekts an, Pastorin und Bürgermeister zeigen sich dem gegenüber aufgeschlossen.
›Passt das noch in die heutige Zeit, zu einem friedlichen Miteinander in der Welt ohne Rachegedanken?‹, fragt Günter Knebel,, Lehrer für Geschichte und Wirtschaftspolitik an der Cesar-Klein-Schule in Ratekau.«
Ausführlich werden in dem Artikel Denkmäler und Ehrengrab beschrieben. Auch Schülerinnen, Lehrer Knebel, Bürgermeister Keller und Pastorin Dittmann kommen zu Wort.
Bericht Weltkriegsgedenken, Lübecker Nachrichten
Projekt Denkmal auf der Website der Schule
Anfang des Jahres 2021 präsentieren die SchülerInnen des Wahlpflichtkurses vor über 20 Vertretern der Gemeinde, Bürgermeister, Bürgervorsteherin und Pastorin Dittmann die Ergebnisse ihrer Arbeit – und erhalten viel Anerkennung. Der Bürgermeister schlägt vor, einen Denkmal-Ausschuss zu gründen. Dort soll über ein gemeinsames Vorgehen beraten werden.
Günter Knebel und Pastorin Dittmann luden im Frühjahr zu einem Arbeitskreis mit Interessierten aus der Gemeinde ein.
Dieser Arbeitskreis unter Beteiligung von Vertretern aller politischen Parteien in der Gemeindevertretung, der Pastorin, des Bürgermeisters, des Kyffhäuser Bundes, Dr. Wendt und Dr. Linck von der Evangelischen Akademie der Nordkirche und dem ehemaligen Geschichtslehrer der Cesar-Klein-Schule Ratekau Günter Knebel hat die Arbeit der Schüler*innen in den letzten Monaten fortgesetzt. Herausgekommen ist als erstes gemeinsames Ergebnis die neue Infostele.
Die Stele am »Ehrengrab«: Am 1. September 2021 – am Antikriegstag – wird sie auf dem Ratekauer Friedhof eingeweiht. Bürgermeister Thomas Keller hebt in seiner Rede die konstruktive Zusammenarbeit des Denkmal-Ausschusses hervor und betont, dass mit der Stele ein erster Schritt zur Auseinandersetzung mit den Denkmälern in Ratekau zum 1. und 2. Weltkrieg getan sei und weitere folgen müssten.
Den Grundstein für die Infostele hatte das Projekt der Cesar-Klein-Schule gelegt. Den Schüler*innen waren mehrere Ungenauigkeiten und Fehler an der Grabstätte aufgefallen und sie stellten die Inschrift (»Hier ruhen 8 tapfere Deutsche, die am 2. Mai 1945 für das Vaterland gefallen sind«) und die Gestaltung mit einem Stahlhelm infrage.
Bericht über die Einweihung auf der Website der Cesar-Klein-Schule
Recherchen beim Bundesarchiv, der rumänischen Botschaft und beim belgischen Staatsarchiv hatten vereinzelte Informationen über Alter, Herkunft und Status der Begrabenen auf dem Ratekauer Friedhof ergeben. Bei einem englischen Tiefliegerangriff zwischen Pansdorf und Techau am 2. Mai 1945 waren insgesamt neun Menschen ums Leben gekommen, darunter vier Soldaten, ein Volkssturmmann, ein Landarbeiter aus Ostholstein, eine Techauer Bürgerin und zwei 19-Jährige aus Rumänien und Belgien.
Diese Informationen sind auf der Stele zusammengefasst und erklären die Umstände des tragischen Ereignisses so kurz vor Kriegsende. Einen Tag später, am 3. Mai 1945, war für die Bewohner des südlichen Ostholsteins der Krieg zu Ende.
Die Stele in größerer Ansicht
Günter Knebel zitiert bei der Feier den Philosophen Santayana: »Diejenigen, die sich nicht an die Vergangenheit erinnern, sind verurteilt, sie erneut zu erleben«.
Eine Botschaft auf der Stele ist besonders hervorgehoben: »Nie wieder Krieg!«
Mehr Informationen zur Einweihungsfeier
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Volkstrauertag 2021
Der Tag begann mit der Zeremonie am Ehrengrab auf dem Friedhof.
Kranzniederlegung und Ehrenwache – diesmal ohne Sturmgewehr. Die Soldatin steht vor der neuen Informationsstele.
Trotz der Veränderungen, die der Denkmalsarbeitskreis in Ratekau diskutiert und durch die neue Informationsstele am Grab auf dem Friedhof schon realisiert hat: Die Kyffhäuser Kameradschaft zelebrierte ihr Ritual am Kriegerdenkmal vor der Kirche wie in den vergangenen Jahren auch.
Mehr Informationen und Fotos finden Sie hier
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Volkstrauertag 2020
Im oben genannten Artikel der Lübecker Nachrichten regt Lehrer Günter Knebel eine »›zivile Würdigung aller Toten am Volkstrauertag‹ an und stellt den sonst üblichen uniformierten Marsch der Soldatenvereinigung ›Kyffhäuserbund‹ infrage. ›Die Bundeswehr bewegt sich schon‹, sagt er: ›Sie verzichtet auf die Präsentation von Sturmgewehren bei der Ehrenwache vor der Kirche und auf dem Friedhof.‹«
Und so war es dann: In der Kirche waren einige Vertreter des Kyffhäuserbundes, alle außer einem in Zivil und ohne Orden. Draußen warteten nach dem Gottesdienst einige Uniformierte, es wurde eine Inschrift verlesen und zwei Kränze wurden am Denkmal zum 2. Weltkrieg aufgehängt.
Es gab diesmal keine Ehrenwache der beiden Vertreter der Bundeswehr. Sie waren mit im Gottesdienst und mischten sich dann draußen unter’s Volk. Am »Ehrengrab« auf dem Friedhof wurde ein Kranz der Verteidigungsministerin in schwarz-rot-gold niedergelegt.
Predigt von Pastorin Dittmann
Vielen Dank für den Predigttext, Frau Dittmann und für den Bericht, Herr Knebel!
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Pastor Hossenfelder
Joachim Hossenfelder war von 1954 bis 1969 Pastor für die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Eutin in Ratekau.
Foto: privat
Pastor Hossenfelder ist gerade, dem Brautpaar voran, durch die »Kriegerdenkmalspforte« geschritten. Im August 1958 ist dieses Foto aufgenommen worden. In der Wanderausstellung der Nordkirche »Neue Anfänge nach 1945? Wie die Kirchen Nordelbiens mit ihrer NS-Vergangenheit umgingen« wird Hossenfelders Werdegang im Kapitel 4 »Streit um Schuld und Mitverantwortung« beschrieben.
Mehr Informationen www.nordkirche-nach45.de
Der als »vaterländisch geprägte Persönlichkeit« und »soldatische Natur« charakterisierte Wilhelm Kieckbusch amtierte von 1930 bis 1976 ohne Unterbrechung als leitender Geistlicher der Eutinischen Landeskirche. In aller Öffentlichkeit setzte er sich nach 1945 für ehemals führende Theologen der nationalsozialistischen »Deutschen Christen« ein. Anderswo galten sie als untragbar. Kieckbusch nahm unter anderem die »Deutschen Christen« Hugo Rönck und Joachim Hossenfelder als Pastoren in seine Landeskirche auf. Hossenfelders Einstellung wurde vom damaligen Ratsvorsitzenden der EKD Otto Dibelius befürwortet. Weder Rönck noch Hossenfelder ließen nach 1945 jemals Reue über ihre Rolle im Nationalsozialismus erkennen. [...]
Der Berliner Pfarrer Hossenfelder war treibendes Gründungsmitglied und erster Reichsleiter der »Deutschen Christen«. Er bekannte sich nach 1945 ebenfalls stolz zu dem Bischofsamt, das er als »Deutscher Christ« 1933 kurzzeitig inne gehabt hatte. Ansonsten bewahrte er über seine frühere Karriere strengstes Stillschweigen.
Bis heute ist die Kirchengemeinde in Ratekau verpflichtet Joachim Hossenfelders Grab zu pflegen.
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Der Stahlhelm
Die neuen Methoden der Artilleriekampfes im 1. Weltkrieg erforderten einen verbesserten Kopfschutz für die Soldaten. Der neue Helm aus Stahl wurde entwickelt, der die bis dahin getragenen ledernen Pickelhauben ablöste. Die ersten 30.000 Helme wurden im Dezember 1915 an die Truppen an der Westfront ausgeliefert.
Die Vorstellung von der stählernen Schutzwirkung wurde fortan auf Postkarten, Kriegsanleiheplakaten, Schmuckblättern usw. propagandistisch ausgeschlachtet und symbolisch überhöht. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges wurde dieser Symbolwert noch gesteigert.
Plakat von Ludwig Hohlwein zum 10. Reichsfrontsoldatentag 1929
Die Einführung eines Stahlhelms für die Bundeswehr im Juni 1956 war ein Politikum. Den Forderungen des Militärs nach einem wirksamen Kopfschutz für die Soldaten wurde nur sehr zögerlich entsprochen. Unter keinen Umständen sollte der Helm für die Bundeswehr auf Konstruktionen beruhen, die an die Zeit des Nationalsozialismus erinnerten.
Für den aktuellen »Gefechtshelm, allgemein«, der am 15. Januar 1992 eingeführt wurde, galten diese politischen Bedenken nicht mehr. Der Helm sollte unter Wahrung der modernsten militärischen Gesichtspunkte auch alle Vorteile des Stahlhelms M35 in sich vereinigen.
Die Stahlhelme der alten Form blieben weiterhin im Gebrauch beim Bundesgrenzschutz und der Polizei.
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Das Eiserne Kreuz
Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.
Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu einem quasi deutschen Orden.
Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde es am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt.
• Auch Hitler trug das Ehrenkreuz an der Brust
»Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«
Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl
DIE ZEIT, 5.6.2008
Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen. Aufgrund seiner identitätsstiftenden Tradition bestimmte am 1. Oktober 1956 Bundespräsident Theodor Heuss das Eiserne Kreuz zum Erkennungszeichen für die Luftfahrzeuge und Kampffahrzeuge der Bundeswehr. So stellt es in allen drei Teilstreitkräften das Hoheitszeichen dar (z. B. an gepanzerten Fahrzeugen und an Luftfahrzeugen). Die Truppenfahnen der Bundeswehr tragen in ihrer Spitze ein durch goldenes Eichenlaub umfasstes Eisernes Kreuz. Auch das Ehrenzeichen der Bundeswehr (Ehrenmedaille, Ehrenkreuz in Bronze, Silber oder Gold) trägt das Eiserne Kreuz als Symbol für Freiheitsliebe, Ritterlichkeit und Tapferkeit auf der Vorderseite. Ebenso wird es auf Briefen, Visitenkarten und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit als »Dachmarke« der Bundeswehr verwendet. Das Eiserne Kreuz als Symbol findet sich noch heute in verschiedenen Verbandsabzeichen der Bundeswehr.
• Nach Wikipedia, abgerufen am 7. 12. 2017
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Das Denkmal 1870/71
Das hübsch gestaltete Denkmal zum Deutsch-Französischen Krieg mit zierlichem Lorbeerkranz an wehenden Bändern trägt die Inschrift:
Dem Gedächtniß
der im Krieg von 1870/71
fürs Vaterland
gefallenen Gemeindeglieder:
Hans Hinr. Fried. Pien (?) aus Techau,
Hinr. Joh. August Steen aus Liuschendorf,
Wilhelm Julius Böhme aus Wilmsdorf,
widmet diesen Denkstein
das dankbare Kirchspiel
Ratekau.
»1870 stellte Napoleon III., im Zusammenhang mit der Erbfolge in Spanien, Forderungen an Preußen, die Wilhelm I. nicht erfüllen wollte. Die Ablehnung des Preußenkönigs wurde von Bismarck in der Emser Depesche, die in der Presse platziert wurde, so brüsk formuliert, dass der französische Kaiser sich veranlasst fühlte, den Preußen den Krieg zu erklären. Am 2. September 1870 errangen die Preußischen Truppen bei Sedan einen triumphalen Sieg, bei dem Napoleon III. gefangengenommen wurde. Die Schlacht bei Sedan war nicht kriegsentscheidend, wurde aber später zum nationalen Mythos stilisiert. Im Januar 1871 kam es zum Waffenstillstand. Am 18. Januar 1871 ließ sich Wilhelm I. im Spiegelsaal von Versailles zum Deutschen Kaiser krönen. Damit war die Teilung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen in ein ›kleines‹ Deutsches Reich und die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn vollzogen.«
• Kriegerdenkmäler in der Friedensstadt, Aschendorff Verlag 2018, S.15f
Nach dem Deutsch-Dänischen und dem Deutschen Krieg von 1864 und 1866 gilt der Konflikt mit Frankreich als dritter und letzter der deutschen Einigungskriege. Der preußische König Wilhelm I. nahm den Titel ›Deutscher Kaiser‹ an, Otto von Bismarck wurde erster Reichskanzler. In Frankreich hatte der Krieg nicht nur die endgültige Abschaffung der Monarchie zur Folge. Vor allem der Verlust Elsaß-Lothringens erzeugte einen dauerhaften, gegen Deutschland gerichteten Revanchismus. In Deutschland wiederum verfestigte sich die Vorstellung von der so genannten Erbfeindschaft gegenüber Frankreich. Beides belastete die deutsch-französischen Beziehungen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein.«
• nach Wikipedia, abgerufen am 9. 12. 2017
Nach dem Sieg forderte die Regierung in Deutschen Kaiserreich dazu auf, Friedenseichen zu pflanzen und zu pflegen, damit »dieses Sinnbild deutscher Kraft und deutscher Treue sich in aller Herrlichkeit entwickeln könne und künftigen Geschlechtern Gelegenheit geben würde, sich in seinem Schatten dankbar der Helden von 1870 und 1871 zu erinnern.«
In Ratekau ist die Friedenseiche gefällt worden.
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Die Eiche für Kaiser Wilhelm I.
Auf einem großzügigen Rasenstück vor dem Kirchhof steht diese prächtige Eiche. Wegen ihrer geschichtlichen Bedeutung ist sie als Naturdenkmal geschützt.
Am 22. März 1897 feiert man überall im Deutschen Reich den 100. Geburtstag des Kaisers Wilhelm I., der wegen seiner Verdienste zur Reichseinigung von Kaiser Wilhelm II. nun zum »Kaiser Wilhelm der Große« erklärt wurde. Überall im Land wurden ihm zu Ehren Denkmäler enthüllt, zum Beispiel auch in Trittau. Dort hat die Stiftung Geschichtskultur ein erläuterndes Schild aufgestellt:
»Wilhelm I.
• Geboren am 22.3.1797 als Sohn von König Friedrich-Wilhelm III. von Preußen und Königin Luise
• Niederschlagung der Revolution 1848 (›Kartätschenprinz‹)
• König von Preußen 1861 - 1888
• Deutscher Kaiser 1871 - 1888
• Gestorben 1888. Ihm folgt Friedrich III. (99-Tage-Kaiser) und im gleichen Jahr Wilhelm II. (1888 - 1918)
Kaiser Wilhelm I. und sein Kanzler Bismarck haben ihr Jahrhundert geprägt. Um beide entstand nach ihrem Tod eine kultische Verehrung. Kaiser Wilhelm II. förderte den Kult um seinen Großvater, für den zu dessen 100. Geburtstag das riesige Nationaldenkmal in Berlin, etwa 350 Denkmäler in deutschen Städten und zahlreiche Gedenksteine, wie hier in Trittau, eingeweiht wurden.«
Zum Vertiefen: Dorlis Blume für das Deutsche Historische Museum
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