I N H A L T
• Das Denkmal zum 1. Weltkrieg
• Die Widmung
• Die Einweihung
• Die Geschichte
• Der Stifter
• «700 Jahre Stadt Malchow«
• Wilhelm Wandschneider
• Die Brigade Ehrhardt
• Das sowjetische Denkmal
• Das Munitionswerk Malchow
• Der Gedenkort »An der Lagerstraße«
• Unser Dank
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Malchow
Kreis Mecklenburgische Seenplatte
Das Denkmal für die toten Soldaten des 1. Weltkriegs steht im Park hinter der Stadtkirche St. Johannis. Ursprünglich war es auf einem anderen Platz aufgebaut worden, der hieß zwischenzeitlich Adolf-Hitler-Platz und dies hier ist auch nur der übriggebliebene Sockel. Wie das Denkmal vor 1945 aussah, beschreiben wir weiter unten.
Für den zweistufigen Sockel wurde Burgsteingranit aus dem Fichtelgebirge verwendet. Er galt damals als der beste in Deutschland. Eine Steinhauerei in Wunsiedel / Bayern hat ihn verarbeitet. Allein der leicht geschwungene Grundsockel wiegt 8 Tonnen.
Er ist gedacht als Ablagefläche für Kränze, wird aber heute oft als Sitzbank benutzt. Das Restdenkmal im Park ist manchmal Treffpunkt von Jugendlichen. Ausserdem hat der »Klotz« in den letzten Jahrzehnten immer wieder zu diversen Graffitis und Beschmierungen angeregt.
Auf der Frontseite des heutigen Restdenkmals beginnt die Aufzählung der toten Soldaten. 154 Namen mit dem Vornamen als Initial sind einspaltig auf den schmalen Seiten und dreispaltig auf der Frontseite im Blocksatz aufgeführt. Sie sind alphabetisch geordnet, die Liste beginnt auf der linken Schmalseite.
Zwischen den Namen sind Symbole eingestreut, wenn es der gewünschte Blocksatz erforderte. Wir glauben, dass es Phantasiesymbole sind, auch wenn eines wie ein Eisernes Kreuz aussieht.
Am oberen Rand der Rückseite steht in einer langen Zeile:
DEN IN DEM WELTKRIEGE 1914 (EK) 1919 GEBLIEBENEN MALCHOWERN
Eine Besonderheit ist hier, dass die Dauer des Krieges bis 1919 ausgedehnt wurde.
Heer und Marine mussten in Folge des Waffenstillstandes vom 11. November 1918 demobilisiert werden und Freikorps waren Sammelbecken für entlassene Soldaten. Im Baltikum war gleich nach Kriegsende mit der Aufstellung begonnen worden. Die Hauptaufgabe war es, den Rückzug des deutschen Ostheeres zu decken und dazu die Bolschewisten lange genug zurückzuhalten. Die letzten Soldaten kehrten Ende 1919 zurück. Auch Oberst Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg kämpfte im Baltikum. Wieviele von den nun toten Soldaten aus Malchow waren ihm gefolgt? Fazit: Das Kriegsende auf dem Denkmal wurde auf 1919 festgelegt.
Das Eiserne Kreuz zwischen den Jahreszahlen ist ein militärisches Ehrenzeichen, das den toten Soldaten hier posthum und kollektiv verliehen wurde.
Darunter steht die Widmung:
DEN GEFALLENEN ZUR EHRUNG
DEN LEBENDEN ZUR MAHNUNG
Auf der zweiten Schmalseite endet die Aufzählung mit H.Zabel und noch zwei »Nachzüglern«: H.Levy und H.Gundlach. H. Levy ist einer der beiden jüdischen Soldaten, derer auf dem Denkmal gedacht wird.
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Die Widmung
DEN GEFALLENEN ZUR EHRUNG
DEN LEBENDEN ZUR MAHNUNG
Die Zeilen sind eine Abwandlung der Inschrift auf dem Berliner Kreuzbergdenkmal. Auf der höchsten Stelle des Kreuzbergs hatte der preußische König Friedrich Wilhelm III. 1818 den Grundstein des deutschen Nationaldenkmals gelegt. Er widmete es den Siegen in den sogenannten Befreiungskriegen. Eingeweiht wurde es bedeutungsträchtig am 30. März 1821, dem siebten Jahrestag der Erstürmung des Monmartre. Die Widmungsinschrift lautete:
Der König dem Volke, das auf seinen Ruf hochherzig Gut und Blut dem Vaterlande darbrachte. Den Gefallenen zum Gedächtniß, den Lebenden zur Anerkennung, den künftigen Geschlechtern zur Nacheiferung.
Die zweite Hälfte dieses Textes wurde, abgewandelt oder verkürzt, vielfach bei Kriegerdenkmälern des 19. und 20. Jahrhunderts übernommen. Wie hier in Malchow wurde oft bei der Abfolge: Vergangenheit - Gegenwart – Zukunft, die Gegenwart weggelassen.
Kerstin Klingel schreibt in »Eichenkranz und Dornenkrone«: »In dieser ursprünglichen Form steht die Aufforderung an die nachkommenden Generationen zur Nachfolge als letztes und wird auf diese Weise hervorgehoben: die letzte Wendung bleibt im Gedächntnis. Es geht bei dieser Inschrift in erster Linie darum, die Jugend für den Kriegseinsatz zu gewinnen.«
»Den Lebenden zur Mahnung« wird heute oft als Mahnung für Frieden verstanden, nach dem verlorenen 1. Weltkrieg war es aber ein revanchistischer Wunsch. Die Schmach des Versailler »Schandvertrags« sollte von der nachfolgenden Generation gerächt werden.
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Die Einweihung
Das große Ereignis steht bevor, die Stadt macht mobil: Der Magistrat der Stadt hat für den Nachmittag den Fuhrwerksverkehr am Denkmal für zwei Stunden gesperrt, der Kriegerverein Malchow trifft sich zum gemeinsamen Anmarsch beim Kameraden Westendorff, die Gewerkschaften haben ihren Treffpunkt bei Karl Pape am Damm, dort soll sich Malchower organisierte Arbeiterschaft mit florbehangenen Fahnen und Kranzdeputationen um 2 Uhr einfinden, der Verein »Eintracht« gibt die Kleiderordnung vor: Gehrock und Cylinder.
Als am Sonntag, 3. Oktober 1920 gegen 3 Uhr, viele Bürger aus Stadt und Land sich einfinden, Behörden und Vereine mit ihren Fahnen anrücken, kann man auch den aus Berlin angereisten Schöpfer des Denkmals, Professor Wandschneider unter den Ehrengästen erblicken.
Der Stifter, der Malchower Lederfabrikant Julius Steinlein, übergibt das Denkmal in den Schutz der Stadt und bezieht sich auf das, was auf dem Stein zu lesen ist: Eine Ehrung für die Gebliebenen und eine Mahnung für die Lebenden, für die Wiederaufrichtung des Vaterlandes zu gleichgeachteter Stellung unter den Nationen zu streben und zu arbeiten. Revanchismus light!
Pastor Stelzer hält die Weiherede: »... und nach oben richtet der sterbende Krieger den Blick, dem Himmel zu. In der Flucht der Zeit bricht dort ein Leben; wird eine Kette gelöst; aber die Seele des Kriegers wendet sich seinem Gotte zu, dessen Zeichen er auf seinem Schilde trägt, auch uns zur Mahnung, die wir ein höheres Panier tragen: Vorwärts und aufwärts!«
(aus dem Malchower Tageblatt vom 5. und 6. Oktober 2020).
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Die Geschichte
Nun wollen wir ihn endlich kennenlernen, den Krieger auf dem Sockel. Ein sitzender Krieger, bis auf den antiken Helm ist er völlig nackt, die Hand liegt auf seinem Schwert, sein zerbrochener, ehemals runder Schild ist erhoben. Dem Schild fehlt ein Stück, aber er sieht nicht zerstört aus. Unversehrt, muskulös und klassisch schön blickt der Krieger nach oben – um seine toten Kameraden, die unter ihm auf dem Sockel namentlich verewigt sind oder um den verlorenen Krieg trauert er jedenfalls nicht.
Eine Postkarte aus den Jahren 1935 bis 1938. Man beachte die drei Zeilen unter der Widmung, wir kommen beim Kapitel »Der Stifter« darauf zurück.
Prof. Dr. Loretana de Libero von der Uni Potsdam schreibt in Ihrem Buch »Rache und Triumph« über das Denkmal in Malchow: »In der mecklenburgischen Stadt hatte der deutschvölkische Künstler Wilhelm Wandschneider für deren Kriegstote einen nackten Bronze-Krieger im Typus des ›sterbenden Galliers‹ gefertigt, dessen zerbrochener Rundschild ein Hakenkreuz zierte. Die Swastika war wohlweislich nur in der Rückansicht zu sehen. Wandschneider, der drei Jahre später für das Dolchstoß-Denkmal in Schwerin verantwortlich zeichnen sollte, orientierte sich nach seinen eigenen Worten am antisemitischen Freikorps ›Brigade Ehrhardt‹, deren Stahlhelme das Hakenkreuz zierte. Die Inschrift auf der Rückseite des Denkmals mit den Jahreszahlen 1914 bis 1919 weist in der Verbindung mit dem Hakenkreuz daraufhin, dass der Künstler [...] ein politisches Zeichen setzen und auch die Aktivitäten der Freikorps bedacht wissen wollte.«
Das hier erstmalig erwähnte Hakenkreuz ist auf keiner der uns bekannten Abbildungen zu erkennen. Aber da das Malchower Denkmal in einigen Publikationen »Hakenkreuzdenkmal« genannt wird, wird es uns in dieser Dokumentation noch oft begegnen.
Was bedeutet nun die Verwendung des Hakenkreuzes im Jahr 1920? Zu dem Zeitpunkt der Einweihung des Denkmals war es vorrangig als Symbol der Brigade Ehrhardt bekannt geworden, die im Frühjahr 1920 am Kapp-Putsch beteiligt gewesen war. Diese Bezugnahme machten es damals als Bekenntnis zu einer paramilitärischen Einheit erkennbar, die am Putsch gegen die junge Republik beteiligt gewesen war. Mit dieser Symbolik wurden nicht nur die Toten des 1. Weltkriegs geehrt, sondern auch die Feinde der Demokratie.
Das werden auch Pastor Stelzer, die Mitglieder des Magistrats der Stadt Malchow, der Gewerkschaften, der Vereine etc. bei ihrer Teilnahme an der Einweihung des Denkmals so gesehen haben. Diese Veranstaltung am 3. Oktober 1920 war eine Demonstration gegen die Republik.
Der Bronzeguss des weit überlebensgroßen Kriegers entstand in einer Erzgießerei in Sachsen, sechs Zentner wiegt er.
In der Zeit des Nationalsozialismus wächst die Bedeutung des nackten Helden, als Szenerie für entsprechende Veranstaltungen eignet er sich vortrefflich.
30. Januar 1938 – »Tag der Machtübernahme«. Hakenkreuzbeflaggung, Ansprache, Ehrenwache, SA- und SS-Männer schauen zu.
Heldengedenktag 1938 – Gedenkrede, Ehrenwache des NS-Reichskriegerbundes, des ehemaligen Kyffhäuserbundes und Kranzniederlegung.
Im Jahr 1955 hat schließlich sein letztes Stündchen geschlagen. Nach monatelangem Hin und Her wird der Krieger vom Sockel genommen. Sein Verbleib ist nicht bekannt.
Zwischen 1945 und 1950 sollen alle Denkmäler mit revanchistischen und militaristischen Aussagen oder/und Symbolen abgerüstet oder entfernt werden. »Die Gestaltung des Ehrenmals ist künstlerisch so bedeutsam, dass seine Erhaltung beantragt wird.« So zitiert Wolf Karge in »Zeitgeschichte regional, 1/2008 den »immer wiederkehrenden stereotypen Satz aller Gutachten«, die 1946 der Sowjetischen Militäradministration vorgelegt werden. In dieser Aufstellung sind alle Kriegerdenkmäler von Wandschneider enthalten. Wolf Karge konstatiert eine Überforderung der Nachkriegs-Kommunen: »Wie sollten sie in der Darstellung eines antiken Kriegers z.B. in Malchow eine Metapher zur Rache für den verlorenen Krieg 1914-1918 erkennen? Wie sollte ein Dorfbürgermeister einen ›Kulturwert‹ ermessen?«
Das Feilschen beginnt: laienhaftes Geschichts- und Kunstverständnis, Vergeltung gegen wen auch immer, vorauseilender Gehorsam gegenüber der Besatzungsmacht, unklare Entscheidungsbefugnisse ... Malchows Bürgermeisterin jedenfalls möchte den Krieger loswerden, nach langem Austausch der Argumente mit Institutionen und Behörden fällt die Entscheidung: Der Krieger wird nicht wieder aufgestellt, die Plastik soll sichergestellt werden, bis sie vom Museum in Schwerin abgeholt wird. Ende siehe oben: Sein Verbleib ist nicht bekannt!
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Der Stifter
Auf der Rückseite des Denkmalsockels stand unter der Widmung
DEN GEFALLENEN ZUR EHRUNG
DEN LEBENDEN ZUR MAHNUNG
STIFTETE DIESES DENKMAL DER
FABRIKBESITZER JULIUS STEINLEIN
SEINER VATERSTADT MALCHOW
Auftraggeber und später Sprecher des Denkmalkomitees war der Malchower Lederfabrikant Julius Steinlein (1855 - 1925). Idee und Wunsch wären bei ihm schon drei Jahre vor der Enthüllung entstanden, schrieb im Oktober 1920 das Malchower Tageblatt. Ansonsten wissen wir nur, dass er und seine Frau keine Kinder hatten und dass ihre Hoffnung auf dem jungen Neffen lag, der bereits als Geschäftsführer in der Firma eingesetzt war. Am 13. September 1916 ist er an der Front getötet worden.
Als das Restdenkmal, der Sockel des Kriegers, versetzt wurde, sind die drei Stifterzeilen weggemeißelt worden.
Um die Entfernung des Kriegers wurde 1955 viel gestritten – dass der Stiftername entfernt werden muss, war immer klar: »Linientreuer Antikapitalismus, von Staats wegen verordnet, machte in der DDR jede Diskussion über diese Maßnahme überflüssig« meint der Malchower Hermann Grothe, »Der Name des Fabrikanten musste weg!«
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»700 Jahre Stadt Malchow«
Ortsgruppenleiter der NSDAP Curt Müller schrieb 1936 dem Denkmal eine Lobeshymne in die Festschrift der Stadt Malchow:
»Symbol dieser mit vielen Seen und Wäldern von der Natur geschmückten Stadt sind nicht nur das Kloster und die bekannten Tuchfabriken, sondern ganz besonders das Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Weltkriegs von 1914/1918.
Es steht vor dem Adolf-Hitler-Platz, dem Aufmarschplatz unserer SA, an einer Straßengabelung der Güstrower und Teterower Chaussee. Der große schön gearbeitete Steinsockel enthält die 70 [?] Namen unserer gefallenen Helden des Weltkrieges. Eine lebensgroße Kriegerfigur mit Schild und Schwert krönt dieses Kunstwerk eines deutschen Meisters. Der Erbauer dieses Kunstwerks, Professor Wilhelm Wandschneider=Plau, hat in dem Schild ein großes Hakenkreuz angebracht. Und darauf können wir Malchower stolz sein, es ist das erste Denkmal in Deutschland, das mit unserm Hakenkreuz geschmückt Aufstellung fand. Das Denkmal wurde bereits am 6. April 1920 enthüllt und Prof. Wandschneider schreibt hierzu folgendes:
›Als unsere Truppen aus Riga mit dem Hakenkreuz am Stahlhelm zurückkamen, war das Modell in Arbeit und erhielt diesen passenden Schmuck am zerbrochenen Schild.‹
In dieser pazifistischen, judenhörigen Zeit war es selbstverständlich, daß die sogenannten jüdischen Gemeinden gleich Krach schlugen und verlangten, daß das Hakenkreuz verdeckt werden sollte. Die damalige Stadtverwaltung hatte auch schon eine Kupferplatte zum Verdecken des Hakenkreuzes bestellt, aber hiergegen wehrte sich der Schöpfer des Denkmals ganz energisch. Parteigenosse Prof. Wandschneider verlangte, daß ihm sein Künstlerrecht gewahrt bleibe, da er sonst andere Maßnahmen ergreifen müsse, und so blieb das Denkmal mit dem Hakenkreuz stehen!
Unserm Parteigenossen Prof. Wandschneider wollen wir daher dankbar sein, daß er damals so energisch und zielbewußt blieb und wir hoffen, daß er zur Siebenhundert-Jahr-Feier der Ehrengast der gesamten Bevölkerung Malchows sein wird. Das Denkmal wird durch die Stadtverwaltung mit schönen Blumenanlagen gepflegt, und wir wollen uns dieses Ehrenmals stets würdig zeigen und den Mahnspruch auf der Rückseite des Denkmals immer beherzigen, der da lautet:
›Den Gefallenen zur Ehrung,
den Lebenden zur Mahnung.‹«
Wie bei den Lebensberichten Wandschneiders 1939 und 1941 sind auch in diesem Beitrag 1936 einige Ungereimtheiten und NS-geschönte Äußerungen enthalten.
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Wilhelm wandschneider
Wandschneider hat zwei Berichte in der NS- und Kriegszeit veröffentlicht und es ist wie oft bei Zeitzeugen, die 20 Jahre später über Gedachtes berichten sollen: Manches ist unglaubwürdig. War z.B. 1920 das Hakenkreuz wirklich verboten? Konnte es 1920 dem jüdischen Bürger Isidor L. schon klar sein, dass das Hakenkreuz ein Symbol des NS-Terrors werden würde? Trotzdem oder gerade deshalb sind Wandschneiders Texte interessant und entlarvend:
Wilhelm Wandschneider »Aus meinem Leben«
Der Bildhauer Wilhelm Wandschneider wurde 1866 in Plau am See geboren, dort ist er auch 1942 gestorben. Seine erfolgreichsten Jahre erlebte er von 1897 bis 1916.
Als persönlicher Auftrag von Kaiser Wilhelm II. entstand im Kriegsjahr 1915 ein großes Denkmal Wandschneiders auf ausländischem Boden. In gegenseitiger Abstimmung mit den Behörden der besetzten französischen Gebiete beschloss die deutsche Militärbehörde, ein gemeinsames Ehrenmal für die »Gefallenen« beider Seiten zu errichten. Als Standort wurde der Soldatenfriedhof St. Martin bei St. Quentin in Nordfrankreich ausgewählt.
Nach dem 1. Weltkrieg geriet eine große Zahl der bildenden Künstler – so auch Wandschneider – in existenzielle Bedrängnis. Die alten Auftraggeber öffentlicher Denkmäler gab es durch die politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen nicht mehr, ebenso sank die Zahl privater Auftraggeber. Zeitweise musste Wandschneider seine sechs Kinder mit Essen aus der Volksküche ernähren.
Einzige Auftraggeber waren in den frühen 1920er Jahren die Militär- und Kriegervereine, die zunehmend mit revanchistischen Inhalten versehene Denkmäler für ihre toten Kameraden errichten ließen. In dieser Zeit schuf er auch das Malchower »Hakenkreuzdenkmal«.
Wilhelm Wandschneider vor seinem Denkmal. Archiv: Klaus Kentzler
Als ab 1930 der Nationalsozialismus zunehmend an Bedeutung gewann, trat Wandschneider der NSDAP bei. Beruflich profitierte er durch seine frühe NSDAP-Mitgliedschaft, die ihm eine ansehnliche Zahl von Kleinaufträgen einbrachte. In den Jahren der NS-Herrschaft entstanden auch größere Werke. 1935: ›Sämann und Mähender‹ als Geschenk zur 700-Jahrfeier von Plau, 1936: das ›Skagerrakdenkmal‹ mit der Figur eines Geschützmatrosen für die Stadt Rostock und 1937: ›Der Trauernde Soldat‹ auf dem Alten Friedhof Schwerin. Mit diesen gut modellierten, aber künstlerisch wenig überzeugenden Arbeiten konnte der alternde Künstler nicht mehr an vorhergehende Erfolge anknüpfen.
Leben und Werk des Künstlers sind seit 1994 im Plauer Bildhauermuseum Prof. Wandschneider dokumentiert.
• Nach Wikipedia, abgerufen am 25. November 2020
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Die Brigade Ehrhardt
Heer und Marine mussten in Folge des Waffenstillstandes vom 11. November 1918 demobilisiert und abgerüstet werden. Daraufhin kam es – beginnend mit dem Kieler Matrosenaufstand – zu Meutereien und revolutionären Aufständen. Es kam zur Novemberrevolution, die zum Sturz der Monarchie und zur Ausrufung der Republik in Deutschland führte. Da der von Friedrich Ebert geführte Rat der Volksbeauftragten über keine eigenen militärischen Machtmittel verfügte, verband er sich mit der noch bestehenden Obersten Heeresleitung und wollte mit Freiwilligen der zurückgeführten Fronttruppen die Lage stabilisieren. Daneben wurde von Offizieren, aber auch von Privaten, die Aufstellung von Truppenverbänden aus ehemaligen Soldaten und ungedienten Freiwilligen vorangetrieben. Diese paramilitärischen Verbände wurden Freikorps genannt. Sie sollten und wollten die linken Aufstände bekämpfen und die Grenze im Osten gegen die »Bolschewisten« verteidigen.
Auch in Malchow wurde um entlassene Soldaten geworben:
Malchower Tageblatt, 3. Februar 1919: »Freiwillige heraus! Zum Schutz der Ostmark, nach der die Polen ihre gierigen Hände ausstrecken und zur Bekämpfung des Bolschewismus, der unser hart bedrängtes Vaterland fortgesetzt bedroht, werden zuverlässige Truppen unter erprobter Führung benötigt. Eine Anwerbung von Freiwilligen für diesen Zweck unternimmt jetzt auch die 1. Garde=Division und richtet aus dieser Veranlassung in Waren (Schützenhof) am Freitag d.M. ein Werbebüro ein, in dem Anmeldungen von Freiwilligen (Gediente Mannschaften für Infanterie=Formationen und Maschinengewehrschützen) entgegengenommen werden. Der Abtransport der Freiwilligen erfolgt am Sonnabend unter Führung eines Feldwebels.«
Malchower Tageblatt, 2. April 1919: »Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg hat sich freiwillig zum aktiven Dienst gemeldet. Der Herzog steht nach der ›Rost. Ztg.‹ zurzeit als Oberst und Regimentskommandeur im Osten«
Mehr zu Adolf Friedrich zu Mecklenburg auf Wikipedia
Auf der Website www.kriegsreisende.de lesen wir: »Ins Baltikum zog es die Chancenlosen und Gescheiterten, da die baltischen Barone Siedlungsland als Sold versprachen, die Kriminellen, die hofften, dort noch viel besser rauben zu können, und diejenigen, die man heute als Adrenalinjunkies bezeichnen würde, die den Nervenkitzel des Krieges vermissten oder die gar zu spät dafür gekommen waren. Natürlich lohnte sich auch die Bezahlung. Zum Grundsold des alten Heeres von 30 Mark, erhielten die Freiwilligen im Reich eine Tagezulage von 5 Mark, im Baltikum dagegen 9 Mark - das war das Zehnfache!«
Bildhauer Wilhelm Wandschneider schreibt 1941: »1920 entstand das Malchower Kriegerdenkmal. Herr Steinlein, der Lederfabrikant, konnte es seiner Vaterstadt zum Geschenk machen. In dieser Zeit kamen die Ehrhardt-Brigaden von den letzten Kämpfen aus Riga zurück. Sie hatten ihren Stahlhelm mit dem Hakenkreuz geschmückt. Ich freute mich, denn dieses Zeichen war verboten, und versah den Schild meines verwundeten Kriegers ebenfalls mit diesem Zeichen.«
Hier irren Wandschneider und auch der Malchower Ortsgruppenleiter der NSDAP Curt Müller. Die Heimkehrer ehemaliger Baltikumeinheiten füllten gegen Ende des Jahres 1919 die Brigade Ehrhardt auf. Sie wuchs so auf etwa 4000 Mann.
Foto: LeMO, Deutsches Historisches Museum, Berlin
Ein Helm der Brigade Ehrhardt, der Wandschneider inspiriert hat.
Foto: Bundesarchiv, Bild 183-R16976 / CC-BY-SA 3.0
Angehörige der Brigade Ehrhardt am 13. März während des Kapp-Putsches in Berlin.
Die Brigade wurde vor allem bei der Niederschlagung der Münchner Räterepublik sowie beim »Grenzschutz Ost« gegen die Aufstände in Oberschlesien eingesetzt. Im März 1920 gehörte sie zu den wesentlichen Stützen des Kapp-Putsches. General Walther von Lüttwitz und der Politiker Wolfgang Kapp waren entschlossen, die Novemberrevolution von 1918/19 mit dem Sturz der Monarchie im Deutschen Reich und zu dessen Umwandlung in eine parlamentarische Demokratie, die Weimarer Republik, rückgängig zu machen. Nachdem die Reichsregierung bereits Anfang März 1920 auf Druck der Alliierten die Auflösung der Brigade Ehrhardt und weiterer Freikorps bestimmt hatte, war diese nun bereit, gegen die Regierung vorzugehen. Lüttwitz protestierte gegen die Auflösung der Freikorps, indem er den Rücktritt des Reichspräsidenten und der Reichsregierung forderte. Er wurde daraufhin entlassen. So begann am 13. März 1920 der Kapp-Lüttwitz-Putsch: Lüttwitz stellte sich an die Spitze der Marinebrigade Ehrhardt und besetzte mit ihr das Berliner Regierungsviertel (siehe Foto).
Generalstreik und passives Abwarten der Reichsregierung öffentlicher Stellen ließen den ohnehin überstürzt geplanten Putsch scheitern, die Kapp-Clique entwarf noch ein paar Flugblätter, aber am 17. März gab sie auf.
Nach der im April 1920 erfolgten Auflösung bildeten Mitglieder der Brigade unter der Führung des Antisemiten und Republikfeinds Hermann Ehrhardt die Geheimorganisation Organisation Consul, die zahlreiche politisch motivierte Fememorde beging, um die Weimarer Republik zu stürzen, etwa die Attentate auf Walther Rathenau und Matthias Erzberger.
Mehr über den Kapp-Lüttwitz-Putsch auf LeMO
Mehr über Hermann Ehrhardt auf Wikipedia
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Das Sowjetische Denkmal
Der Platz, an dem das »Hakenkreuzdenkmal« gestanden hatte und der nach Aussage von NSDAP-Ortsgruppenleiter Curt Müller der Aufmarschplatz der SA gewesen war, wurde nun 1945 Militärfriedhof der in Malchow gestorbenen sowjetischen Soldaten.
Der Adolf-Hitler-Platz heißt nun Neuer Markt. 1994 erfolgte die Umbettung der Soldaten an einen Gedenkort am Stadtrand. Das Denkmal mit bescheidenen fünf kyrillischen Textzeilen blieb zurück.
Das Denkmal trägt nun die sowjetischen Symbole roter Stern und Hammer & Sichel, dazu lesen wir auf der Informationstafel: »Dieses Denkmal ist eines von vielen, die nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone zur Erinnerung an den Sieg der Roten Armee über das faschistische Deutschland errichtet wurden.«
Die Übersetzung der Inschrift lautet:
Unsterblicher Ruhm
den Helden
der sowjetischen Armee
Die Kriegsdauer ist mit 1941, dem Jahr des Eintritts der Sowjetunion in den »Großen Vaterländischen Krieg«, bis 1945 angegeben.
Mehr dazu erfahren Sie hier
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Das Munitionswerk Malchow
Stadtarchivar Dieter Kurth und der »Arbeitskreis Stadtgeschichte« erforschen einzelne wichtige Themen der stadtgeschichtlichen Entwicklung und stellen die Ergebnisse in Form von überschaubaren Heften der Öffentlichkeit vor. Wir finden, das ist ein gutes Projekt mit sehr guten Ergebnissen. Wir zitieren deshalb in diesem Kapitel aus Heft 2 »Das Munitions- und Sprengstoffwerk in Malchow 1938-1945« von Alfred Nill, Christiane Sawatzki, Eberhard Fromhold-Treu und Gerhard Bröcker.
Die Kurzfassungen der bisher 15 weiteren Hefte und die Bezugsquelle können Sie hier finden:
Arbeitskreis Stadtgeschichte
»Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten begann ab 1933 die systematische militärische Aufrüstung des Deutschen Reiches. So entstanden über 120 Rüstungsbetriebe, die über ganz Deutschland verteilt waren. Zu diesen Betrieben gehörte auch das Munitions- und Sprengstoffwerk in Malchow. Der Aufbau begann 1938 versteckt und gut getarnt in einem 360ha großen Waldgebiet und umgeben von Wasser / Seen ca. 2km westlich von Malchow. Zu den Produktionsanlagen sowie Verwaltungs- und Versorgungsbereichen gehörten Labore, Werkstätten, Magazine, Pressereien, Füllstellen und Entsorgungsanlagen. Das Werk war durch ein Anschlussgleis mit dem Schienennetz der Deutschen Reichsbahn verbunden. Die Bauarbeiten im Werk dauerten bis 1943, aber bereits seit Oktober 1939 wurden in den bunkerartigen Produktionsstätten Sprengkapseln und der Sprengstoff ›Nitropenta‹ hergestellt. [...]
Seit 1939 wurden [weitere] Arbeitskräfte auf unbegrenzte Zeit zur Kriegsproduktion dienstverpflichtet. Aus den besetzten Gebieten deportierten die Wehrmacht und die SS ausländische Arbeiterinnen, Kriegsgefangene sowie weibliche Häftlinge aus Konzentrationslagern zur Rüstungsarbeit in der gefährlichen Sprengstoffproduktion. Für die große Zahl an Arbeitskräften wurden zusätzliche Holzbaracken in der Theodor-Storm-Straße, am Karpfenteich, am Alt-Schweriner-Weg und an der Lagerstraße für Unterkünfte gebaut. Ab 1943 wurde zur endgültigen Absicherung des Arbeitskräftebedarfs ein Außenlager des KZ-Ravensbrück an der Lagerstraße, ca. 1km vom Munitionswerk entfernt, für 1200 Häftlingsfrauen errichtet.
Das Außenlager Malchow wurde ein Ort der Angst, der Wut, der Menschenverachtung und somit ein Ort des Verbrechens. Wachtürme und ein elektrisch geladener Stacheldrahtzaun sorgten dafür, dass zu diesen Frauen kein Kontakt aufgenommen werden konnte. In den Häftlingsbaracken herrschten menschenunwürdige Bedingungen. Die hygienischen Zustände waren völlig unzureichend, ebenso die Kleidung und Ernährung der Inhaftierten Im Werk mussten sie unter ungeheuer schweren Bedingungen täglich 10-12 Stunden die gefährlichsten Arbeiten ausführen, die bei der Herstellung von chemischen Kampf- und Sprengstoffen anfielen. Schwere Unfälle und der Tod gehörten bald zum Alltag im Außenlager Malchow. Mit dem Einzug der sowjetischen Streitkräfte am 02.Mai 1945 war der Krieg für die Frauen des Konzentrationslagers, die Kriegsgefangenen, die ausländischen Zwangsarbeiter sowie für die Malchower Bürger beendet. Allmählich erfolgte die Rückführung der Verschleppten in ihre Heimatländer. Auf dem Werksgelände begann die Demontage der Maschinen und der Werkseinrichtungen als Reparationsleistungen für die Sowjetunion. Große Teile der Werksanlagen wurden gesprengt und zerstört. Vom eigentlichen Produktionsstandort ist heute nur noch wenig zu sehen.«
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Der Gedenkort »An der Lagerstraße«
Wie wir eben schon gelesen haben: »Ab 1943 wurde zur endgültigen Absicherung des Arbeitskräftebedarfs ein Außenlager des KZ-Ravensbrück an der Lagerstraße, ca. 1km vom Munitionswerk entfernt, für 1200 Häftlingsfrauen errichtet.«
2018: der erste Schritt für eine Gedenkstätte wird getan. Am Standort des ehemaligen Außenlagers des KZ-Ravensbrück wird eine Informations- und Gedenktafel enthüllt, die dem Engagement von Malchows Archivar Dieter Kurth und dem Ehepaar Seiler zu verdanken ist.
2021 geht es weiter: Mit zwei 14-tägigen Jugendcamps sollen die Arbeiten beginnen. Malchower Schüler werden dann mit Schülern aus Lateinamerika, insbesondere aus Mexiko, die Fundamente des KZ-Lagers freilegen. »Die Jugend soll mit eigenen Händen Geschichte ausgraben« – eine globale Botschaft, die Stadtarchivar Dieter Kurth an die Heranwachsenden vermitteln möchte: „Ihr seid nicht schuld, aber ihr tragt die künftige Verantwortung, dass sich so etwas nicht wiederholt“.
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Unser Dank
Viele Gedanken, Fotos, Texte und Informationen haben wir dem Bericht von Hermann Grothe entnommen. Stadtarchivar Dieter Kurth hat uns die Textsammlung »Das Kriegerdenkmal meiner Kinderzeit« des inzwischen gestorbenen Malchowers zu Verfügung gestellt, hat uns beraten und viele der historischen Postkarten und Fotos in dieser Dokumentation beigesteuert. Die Abbildungen aus den Kapiteln »Die Einweihung«, »Die Geschichte«, »700 Jahre Stadt Malchow«, »Wilhelm Wandschneider« und das historische Foto vom sowjetischen Denkmal sind im Besitz des Stadtarchivs Malchow.
Wir bedanken uns sehr herzlich bei Herrn Kurth und wünschen ihm viel Erfolg bei seinem unermüdlichen Engagement für die Erinnerungskultur in Malchow.
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