I N H A L T
• Das Denkmal
• 1932:Die Einweihung
• »Tatbereit heute wie einst«
• Das Gegendenkmal
• Die alte Johanniskirche
• Historische Postkarten
• Der Bildhauer H. Hosaeus
• »Der Soldat«
• Erste Hilfe
• Die Geschichte
• Der Vorläufer
• Ernst Moritz Arndt
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Harburg
Bremerstraße / Maretstraße vor der Kirche St. Trinitatis
Die überlebensgroße Skulptur aus Bronze stellt einen marschierenden Soldat im Mantel, mit Kopfverband und geschultertem Gewehr dar. Der viereinhalb Meter hohe und zwei Tonnen schwere Soldat steht auf einem sechs Meter hohen rechteckigen Sockel, die rechte Stiefelspitze dynamisch voranschreitend überm Abgrund. Das Kriegerdenkmal wurde vom 1925 gegründeten »Ausschuss für die Errichtung eines Ehrenmals für die im Weltkrieg gefallenen Söhne der Stadt Harburg« in Auftrag gegeben, dem neben dem damaligen Harburger Oberbürgermeister Denicke auch mehrere Senatoren und Harburger Fabrikdirektoren angehörten. Die Kosten von gut 30.000 Reichsmark wurden durch freiwillige Spender aus Harburg, größtenteils von der Industrie und den 14 Kriegervereinen, aufgebracht. Eingeweiht wurde das Kriegerdenkmal am 26. Juni 1932. Der Bildhauer Hermann Hosaeus (1875 – 1958) beschreibt sein Werk so: »... einen trotz der Verwundung wuchtig ausschreitenden Infanteristen«.

Foto: Kerstin Klingel
Detlef Garbe und Kerstin Klingel schreiben 2008 in ›Gedenkstätten in Hamburg‹: »Der Soldat marschiert, das Gewehr geschultert, trotz Kopfwunde aufrecht, vorwärts in den Kampf: Ausdruck einer revanchistischen, kriegsbefürwortenden Geisteshaltung. Schon bei seiner Errichtung 1932 war das von 18 Kriegervereinen seit Mitte der 1920er Jahre geforderte Denkmal höchst umstritten. Die Sozialdemokraten sahen es als kriegsverherrlichend an. Die Zeitschrift ›Kunst im Dritten Reich‹ würdigte das Werk 1937 hingegen als ›Heroische Plastik‹.«

Die Lettern und Ziffern der Inschriften auf dem gemauerten grauen Sockel sind golden ausgelegt. Sie beginnen mit den Jahreszahlen des 1. Weltkriegs:
1914 - 1918

Darunter die Inschriften:
DEN FÜR DAS VATERLAND
GEFALLENEN 2000 SÖHNEN
DER STADT HARBURG
ZUR EHRE U. ZUM GEDÄCHTNIS
WUNDEN ZUM TROTZ
TATBEREIT HEUTE WIE EINST
UND IN ALLER ZEIT
DEUTSCHLAND
FÜR DICH
DIE TREUE
STEHT ZUERST, ZULETZT
IM HIMMEL UND AUF ERDEN
WER GANZ DIE SEELE
DREINGESETZT
DEM SOLL
DIE KRONE WERDEN
E.M. Arndt
DEINE TOTEN
WERDEN LEBEN
Jes. 26. V. 19
Ralf Busch schreibt im Harburger Jahrbuch Nr.23: »Die Kirche hatte auf einem Bibelzitat bestanden, da das Denkmal auf eigenem Grundstück vor St. Johannis errichtet werden sollte. Kürzer konnte man diese Forderung wohl kaum einlösen.«
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1932: Die Einweihung
Vierzehn Jahre nach dem verlorenen 1.Weltkrieg und acht Jahre vor dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen und dem Beginn des 2.Weltkriegs sagt Pastor Rüther in seiner Rede zur Einweihung und Übernahme des »Soldaten« durch die Kirchengemeinde: »Sie, deutsche Krieger und deutsche Männer, sehen in der Gestalt des Ehrenmales verkörpert all die hohen und edlen Tugenden, zu denen die Heimattreue und Vaterlandsliebe uns erzieht: Mut und Heldensinn, Hingabe und Todesbereitschaft.« (Harburger Anzeigen und Nachrichten, HAN, vom 27. Juni 1932)
Superintendent Feltrup in seiner Festansprache: »Das Denkmal soll der Dank sein für das Heldentum und die Treue der gefallenen Krieger. Unsere Pflicht sei es ihnen nachzutrauern in der Liebe zum Vaterlande (...). Es will das in uns wecken und pflegen, was unser Volk führen kann aus der Nacht zum Licht, durch Kreuz zur Krone, durch Tod zu neuem Leben.« (HAN vom 27. Juni 1932)
Die Schlußworte aus der Gedenkrede des Oberbürgermeisters a.D. Denecke lauten: ›Den Toten zum ewigen Gedächtnis, den Lebenden zum feierlichen Gelöbnis, den kommenden Geschlechtern zur ernsten Mahnung sei dieses Denkmal ein Wahrzeichen deutscher Vaterlandsliebe, deutscher Treue und deutschen Heldentums. Wir wollen an Deutschlands Zukunft glauben und an unseres Volkes Auferstehung tatkräftig mitarbeiten‹.« (HAN vom 27. Juni 1932)
Dr. Ernst Eger, Mitbesitzer einer Salpeterfabrik und Mitglied der »Deutschnationalen Volkspartei«, sprach als Vertreter der Stadtverwaltung und der Industrie Harburgs: »Unser Ehrenmal stellt einen verwundeten, aber unbesiegten Krieger dar. Versinnbildlicht es nicht zugleich unser gesamtes deutsches Volk in seiner heutigen Lage? Haben nicht die ungeheuren seelischen wirtschaftlichen Nöte der Nachkriegszeit unseren Volkskörper auch gewaltige Wunden geschlagen? Ist die tiefe Wunde, die uns die Kriegsschuldlüge mit dem auf ihr fußenden Versailler Diktat geschlagen hat, nicht noch immer unvernarbt und muß das deutsche Volk es nicht mit schwerer Kränkung und Erbitterung ertragen, daß ihm, dem begabten, arbeitsfrohen, sittlich und religiös hochstehenden, an Mannesfreuden starken, tapferen Volk die Gleichberechtigung unter den führenden Völkern der Erde immer noch versagt wird?« (HAN vom 27. Juni 1932)
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»Tatbereit heute wie einst«
Die Botschaft des »Soldaten« und der Inschriften atmet den Geist von der – von den Deutschen so empfundenen – Schmach des Friedensvertrags. Es galt die »Fesseln von Versailles« zu sprengen!
Nach dem verlorenen 1. Weltkrieg musste Deutschland laut Versailler Friedensvertrag ein Siebtel seines Territoriums mit einem Zehntel seiner Bevölkerung abtreten. Außerdem verlor Deutschland alle Kolonien. Die Stärke des deutschen Heers wurde auf 100.000 Soldaten begrenzt. Schwere Waffen und der Besitz von Luftstreitkräften waren der Reichswehr verboten.
»Da der Versailler Vertrag zudem die Verantwortlichkeit Deutschlands und seiner Verbündeten für den Krieg und die Schäden festschrieb, wurde das Deutsche Reich zu erheblichen alliierten Reparationsforderungen herangezogen. Vor allem wegen dieses ›Kriegsschuldartikels‹ wurde der Versailler Vertrag von der äußersten Rechten bis hin zur Sozialdemokratie grundsätzlich als ein ›Diktat-‹ und ›Schandfrieden‹ abgelehnt. [...] Der Vertrag trat am 10. Januar 1920 in Kraft. Zusammen mit der Dolchstoßlegende wurde der Versailler Vertrag in den folgenden Jahren zu heftigster Agitation gegen die Weimarer Republik und das Ausland genutzt. Nicht nur die extreme Rechte warf den republikanischen Kräften vor, mit der Befürwortung und Unterzeichnung des Vertrags entschieden zu einer Erniedrigung des Deutschen Reichs und zur Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts Deutschlands beigetragen zu haben. Zahlreiche Bilder und Postkarten zeigten die einst stolze und kämpferische Germania gefesselt und willfährig am Marterpfahl. Die ›Fesseln von Versailles‹ zu sprengen gehörte in den Jahren der Weimarer Republik daher zum Hauptziel deutscher Außenpolitik.«
• Arnulf Scriba, Deutsches Historisches Museum, CC BY NC SA 4.0
Mehr zum Versailler Vertrag
Mehr zur Dolchstoßlegende
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Das Gegendenkmal
Mit der Friedensbewegung zu Beginn der 1980er Jahre begannen heftige öffentliche Diskussionen um den ›Soldaten«. Auf Initiative des Friedenspolitischen Zentrums Harburg (FRIZ), siehe auch weiter unten, wurde 1986 ein Wettbewerb zur Umgestaltung bzw. Ergänzung des Denkmals in ein ›Anti-Kriegsdenkmal‹ ausgelobt, den der Harburger Künstler Hendrik-André Schulz mit seinem Entwurf ›Trauerndes Kind‹ gewann.
Auch wenn die monumentale Skulptur eines überlebensgroßen marschierenden Soldaten seit 1988 durch die Figur eines trauernden Kindes ergänzt wurde, bleiben doch die Inschriften des Denkmals eine fortbestehende Herausforderung.

Das Gegendenkmal des Harburger Künstlers Hendrik-André Schulz
Detlef Garbe und Kerstin Klingel schreiben 2008 in ›Gedenkstätten in Hamburg‹ über das Gegendenkmal ›Trauerndes Kind‹:
»Das Gegendenkmal wurde zwischen den Büschen neben dem hohen Sockel des ›Soldaten‹ errichtet und hat der anhaltenden Wirkung des alten Kriegerdenkmals auf Grund seiner versteckten Positionierung und seiner bescheidenen Größe – die Kinderskulptur ist kaum mehr als lebensgroß – wenig entgegenzusetzen.»
Die gesamte Beschreibung
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Die alte Johanniskirche

Kurz vor der Zerstörung 1943

Foto: Staatsarchiv Hamburg bp000110

Die zerstörte Kirche 1944, nur der Soldat blieb heil – ein Zeichen?

Fotos: Dirtsc / Wikimedia Commons (3)
Das Gelände nach der Räumung 1946. Im Hintergrund die stehen gebliebenen Pastorate.
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Historische Postkarten
Ursprünglich war das Denkmal von außen an die Umfassungsmauer der St. Johanniskirche herangebaut.

Die Kirche würde, so schrieb Hosaeus 1930 an den Denkmalsausschuss, »durch alle Jahrhunderte den immer gleichen Hintergrund für das Denkmal bieten«. 1944 wurde die St. Johanniskirche durch Bomben völlig zerstört.

Mit einer langen Eichengirlande bekränzt.

1953 entstand an gleicher Stelle ein neues Kirchengebäude. Nun steht der Soldat frei. Hinter dem Turm sieht man die alten Pastoratsgebäude.


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Der Bildhauer
Die Tafel am Denkmalssockel benennt ihn, ohne weitere Erklärungen:

Ralf Busch beschreibt Hermann Hosaeus 2012 im Harburger Jahrbuch Nr.23 so: »Sein eigentliches Betätigungsfeld wurde die Gestaltung von Kriegerdenkmälern. Im Kyffhäuserbund übernahm er den Vorstand und die Aufgabe des künstlerischen Beauftragten. Dieser Bund existierte seit 1900, er war der Dachverband der Deutschen Landeskriegerverbände. Ursprünglich oblag ihm die Pflege des Kyffhäuserdenkmals, das von 1891 bis 1897 zu Ehren des 1888 verstorbenen Kaisers Wilhelm I. errichtet wurde. Es gehört noch heute zu den imposantesten monumentalen Gedenkbauwerken Deutschlands. In diesem Bauwerk kam vor allem zum Ausdruck, sich vor inneren (gemeint ist die Sozialdemokratie) und äußeren Feinden zu schützen. [...]
Es verwundert nicht, dass Hosaeus sich in diesem Verein gut aufgehoben verstand, wo er während des Aufstiegs der Nationalsozialisten zahlreiche Aufträge erhielt, häufig wohl ohne Ausschreibung. [...]
Als Hosaeus 1958 starb, haben die Harburger Anzeigen und Nachrichten kurz an den ›Harburger Soldaten‹ erinnert und gemeint, er ›wirkt äußerst kontrastreich in seiner Monumentalität und Realistik‹. Heroisches Gehabe ist aber eben keine Realistik, sondern steht im Widerspruch zur Wirklichkeit. Dieses kritisch zu hinterfragen, versäumte man 1958.«
Foto: Helmsmuseum
Hermann Hosaeus mit dem Kopf des »Soldaten« in seiner Werkstatt.
Wir danken herzlich Herrn Prof. Weiss und Frau Krause vom Archäologischen Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg / Helmsmuseum für die Hilfe und die Möglichkeit hier ein PDF Download aus dem Harburger Jahrbuch 23/2012, Herausgeber Stadtmuseum Harburg / Helmsmuseum, anbieten zu können. Sie können das Jahrbuch beim Museum bestellen, es kostet ca. 20 Euro. Man kann die Publikationen des Museums auch in der Bibliothek lesen und ansehen. Anmeldung unter der Telefonnummer: 040 42871 3681.
Harburger Jahrbuch Nr. 23
Auf dieser Website dokumentieren wir Denkmäler von Hosaeus in:
Schleswig-Holstein Eutin
Schleswig-Holstein Thürk
Hamburg-Wilhelmsburg
Hermann Hosaeus war während des 1.Weltkriegs an leitender Stelle in der Staatlichen Beratungsstelle für Kriegerehrungen tätig und verfasste 1922 Leitsätze für die »Vaterländische Bauhütte« zur Ausführung und Aufstellung von Kriegerdenkmälern:
Leitsätze 1922, Verlag Deutscher Bund Heimatschutz
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»Der Soldat«
Eine Dokumentation über die Geschichte des Harburger Kriegerdenkmals. Herausgeber: Friedenspolitisches Informationszentrum Harburg (FRIZ), 1981.

»Der Soldat«, 1981
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Erste Hilfe
»Auszubildende restaurieren Harburger Denkmal«, das berichtet die Aurubis AG in einer Pressemitteilung am 7. April 2010:
»Die Restaurierung des nicht mehr standsicheren Denkmals wird von Aurubis im Rahmen eines besonderen Ausbildungsprojektes erfolgen. Wir freuen uns, mit diesem Engagement unserer Verbundenheit zur Region Süderelbe erneut Ausdruck zu verleihen«, so Michaela Hessling, Pressesprecherin der Aurubis AG. Unter fachkundiger Anleitung des Restaurators Stefan Lasch-Abendroth werden zwei Auszubildende von Aurubis die erforderlichen Schlosserarbeiten ausführen. Sie befinden sich im 3. Lehrjahr und erfahren eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker. Mit ihren Auszubildenden trägt Aurubis dazu bei, die Kosten für die Sanierung erheblich zu senken. [...]
Nachdem ein Gutachter festgestellt hatte, dass das Denkmal nicht mehr standfest ist, wurde es im Jahre 2008 eingerüstet und war seitdem verhüllt. Nun endlich erhält der Soldat Erste Hilfe.
Die Skulptur ist 2 Tonnen schwer und 4,80 Meter hoch. Inklusive Sockel beläuft sich die Höhe auf rund 11 Meter. Für die Überführung auf das Werksgelände wurde die Plastik im Oktober 2009 vom Sockel gehoben und wegen der Transporthöhe in zwei Teile getrennt.

Foto: Zand
Das alte, korrodierte Stahlgerüst wird gegen eine neue Edelstahlhalterung ersetzt. Die kupferne Oberfläche der Skulptur soll trotz vorhandener Einschusslöcher nicht restauriert werden, um den historischen Bestand zu sichern. Alte Einschusslöcher zeugen von den Bombenangriffen des 2. Weltkrieges, die der Krieger aufrecht überstand. Die St. Johanniskirche hingegen wurde im November 1944 bei einem Bombenangriff zerstört. Nach Sanierung wird das Denkmal wieder an seinen alten Standort zurückkehren.«
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Die Geschichte
»Für das Harburger Kriegerdenkmal traten nicht die 18 Kriegervereine allein als Anreger und Stifter auf. Aber sie waren im Verein mit bürgerlichen Autoritäten stark daran beteiligt. Am 20. 1. 1925 wurde ein ›Ausschuß für die Errichtung eines Ehrenmales für die im Weltkrieg gefallenen Söhne der Stadt Harburg‹ gegründet. Die Sozialdemokraten hatten gegen diese Form des Totengedenkens, die eher der Kriegsverherrlichung diene, protestiert und statt dessen ein Heim oder eine Unterstützung für Kriegsversehrte gefordert; sie waren aber mit dem Argument, daß ein Denkmal weniger kostspielig sei, abgewiesen worden. Auch in Harburg wurde zunächst der Ehrenfriedhof als Ort vorgesehen, doch die Forderung nach einem Platz, an dem das Denkmal täglich sichtbar war, setzte sich durch; 1930 wurde der Platz vor der Johanniskirche beschlossen. Hermann Hosaeus, ein schon um die Jahrhundertwende tätiger Denkmalbildhauer, wurde direkt beauftragt. Er schuf noch einmal ein naturalistisches Menschenbild, das in mehrfacher Lebensgröße auf einem Distanz gebietenden hohen Sockel aufgestellt wurde; ein Infanterist, in dem jeder Mann sich wiedererkennen sollte, mit dem aber auch das Reich identifiziert werden konnte. Mit einer Binde um die Kopfwunde hat er sich nach Verwundung und vorläufiger Niederlage erhoben und wendet sich entschlossen, ja furchterregend mit weitem kraftvollem Schritt wieder zu neuem Kampf nach vorn. Zwar rührt die Verwundung nicht von einem Dolchstoß her, aber sieht man in dem Soldaten wirklich das angeschlagene sich wieder erhebende Reich verkörpert, so gibt die Wunde am Kopf doch zu denken: Kritik an der Reichsregierung seit 1918? [...]
Sozialdemokraten opponierten gegen solche Denkmäler, weil sie Kriegsverherrlichung verhindern wollten; der amtierende sozialdemokratische Oberbürgermeister Dudek hielt sich von der Einweihung fern. Von Kommunisten wurde in Harburg befürchtet, daß sie Beschädigungen und Verunzierungen des Denkmals vor der Einweihung vorhätten. Das bürgerliche Lager identifizierte sich inzwischen jedoch offenbar vollständig mit solchen Formen kriegsvorbereitender Propaganda. Einladungen an die Angehörigen der Gefallenen, an die 18 Kriegervereine, an den üblichen Kreis aus Verwaltung und Industrie, Vorfeier in der Kirche mit Ansprache des Superintendenten, Glockenläuten, Rede des konservativen Oberbürgermeisters im Ruhestand, Rede des Pastors in der Kirche, Rede eines Deutschnationalen, Kranzniederlegungen, Fahnenflattern, ›Ich hat' einen Kameraden‹, Deutschlandlied vor Tausenden von Menschen waren Kennzeichen einer Inszenierung, der sich kurz vor 1933 offenbar außer den in die Minderheit geratenen Arbeiterparteien niemand mehr entziehen konnte.«
• Volker Plagemann, »Vaterstadt, Vaterland, schütz Dich Gott mit starker Hand«, Hans Christians Verlag 1986, Seite136/137.
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Der Vorläufer
Ebenfalls von Hermann Hosaeus: Das Kriegerdenkmal für die getöteten Schüler der Johann-Heinrich-Voß-Schule, Eutin, im 1. Weltkrieg, das 1928 eingeweiht wurde, vier Jahre vor dem Harburger »Soldaten« – in der Haltung verblüffend ähnlich.

In seiner Weiherede sagte der damalige Landespropst Paul Rahtgens, zehn Jahre nach dem Ende des 1. Weltkriegs und fünf Jahre vor der Machtergreifung Hitlers: »Es ist ein feinsinniger Gedanke des Künstlers, ihm das Gewehr so über die Schulter zu legen, daß es mit der Gestalt des Jünglings ein Kreuz bildet. Wir sind jetzt ein Volk unter dem Kreuz. Aber als Christen leben wir durch das Kreuz dessen, der das Wort prägte ›Niemand hat größere Liebe, denn daß er das Leben läßt für seine Freunde‹. Das Kreuz ist für uns nicht nur das Zeichen des Überwindens und Siegens. Als deutsche Christen vertrauen wir, daß auch der Tod derer, um die wir trauern, nicht vergeblich gewesen ist, sondern eine Aussaat des Segens für künftige Geschlechter.«
• Horst Schinzel, »Eine Denkmalseinweihung 1928«, aus den Jahrbuch des Heimatverbandes Eutin, 1990.
Kriegerdenkmal Eutin
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Ernst Moritz Arndt
Am 26. Dezember 1769 wurde Ernst Moritz Arndt auf Rügen geboren. Historiker kritisieren, Arndt sei antisemitisch und nationalistisch und damit ein Wegbereiter der Fremdenfeindlichkeit folgender Jahrzehnte gewesen.
Als Publizist und Dichter widmete er sich hauptsächlich der Mobilisierung gegen die Herrschaft Napoleon Bonapartes in Deutschland. Daher wird er auch als Freiheitskämpfer bezeichnet.
Die Nationalsozialisten betrachteten Arndt als einen ihrer Vordenker, etwa wegen solcher Ausführungen:
»Es wird ja hoffentlich einmal eine glückliche deutsche Stunde für die Welt kommen und auch ein gottgeborener Held, […] der mit scharfem Eisen und mit dem schweren Stock, Scepter genannt, [das Reich] zu einem großen würdigen Ganzen zusammenschlagen kann.«
Kurz nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten beantragte der örtliche Leiter des Stahlhelms die Benennung der Greifswalder Universität nach Arndt. Das preußische Staatsministerium erteilte die Bewilligung im Mai 1933, da Arndt »stets für die Freiheit, die Ehre und die Macht des Deutschen Vaterlandes an erster Front gekämpft« habe.
Die Universität Greifswald hat 2018 nach langem Streit ihren Namen abgelegt. Auf ihrer Website können Sie einen Beitrag des Literaturwissenschaftlers Michael Gratz lesen. Seine These: Wo »Arndt« draufsteht, ist heute in den allermeisten Fällen schlimmstes neonazistisches »Gedankengut« drin.
Der komplette Beitrag und andere Fakten zum Namenstreit
Hier die Fakten zum Namensstreit als Broschüre
... und das Original: »Auf, bleibet treu und haltet fest«
1. Auf, bleibet treu und haltet fest,
so wird euch mehr gelingen!
Wer sich von Gott nicht scheiden lässt,
der kann die Hölle bezwingen.
Der alte Gott, der treue Gott,
lässt sich noch immer schauen
und macht des Teufels List zu Spott
und seinen Stolz zu Grauen.
2. Auf, bleibet treu und haltet aus,
wie Lug und Trug auch schnauben!
Der Herr dort oben hält noch Haus
und schirmt den rechten Glauben;
den Glauben, dass die Welt vergeht,
wenn Männertreue wanket;
den Glauben, dass wie Sand verweht,
was um die Lüge ranket.
3. Denn Treue steht zuerst, zuletzt
im Himmel und auf Erden!
Wer ganz die Seele dreingesetzt,
dem soll die Krone werden.
Drum mutig drein und nimmer bleich,
denn Gott ist allenthalben!
Die Freiheit und das Himmelreich
gewinnen keine Halben!
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