I N H A L T
• Die Denkmalsanlage
• Aus der Geschichte
• Die Tafeln im Kloster
• Zwei Eichen
• Dr. Richard Bruhn
• »De Düdesche Schlömer«
• 1784: Aufhebung der Leibeigenschaft
• Kameradschaftsbund
• Die Schleswig-Holsteinische Erhebung
• Der Deutsch-Französische Krieg 1870 / 71
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Cismar, Kreis Ostholstein
Auf dem kirchlichen Friedhof an der Bäderstraße
Der Friedhof wurde 1967 in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Benediktiner-Klosters im sogenannten Klosterdorf Cismar angelegt.
Mehr über die Geschichte des Klosters auf Wikipedia

In dieser also relativ jungen Anlage auf dem Friedhof wird der toten Soldaten aus vier Kriegen gedacht. Die Kirchengemeinde nennt das Areal auf ihrer Website »Ehrenfriedhof«.
An zwei Seiten umschließt ihn eine niedrige Ziegelsteinmauer, die anderen Seiten begrenzen verschiedene Sträucher. In der vorderen Ecke steht ein Fahnenmast.

Ein Ziegelsteinweg führt neben der Rasenfläche zum Gedenkplatz.

Er ist in Bogen mit quadratischen Granitsteinen gepflastert. Bei unserem Besuch Anfang Januar 2021 liegen noch die Kränze vom Volkstrauertag an den schräg aufgestellten Tafeln. Es sind dünne Bronzegusstafeln, die auf je einer etwas größeren Steinplatte liegen. Als der Gedenkplatz bei der Anlage des neuen Friedhofs 1967 aufgebaut wurde, sind auch die Tafeln für die vier Kriege neu und einheitlich gestaltet und hergestellt worden.

Ebenso wie die fünf schlichten Granitkreuze in der Art wie sie oft auf Soldatenfriedhöfen aufgestellt wurden. Hier in Cismar haben sie unterschiedliche Größen. Warum es für vier Kriege fünf Kreuze sind hat wohl künstlerische Gründe.

Die zwei quer und die zwei hoch rechteckigen Tafeln sind chronologisch geordnet. Die ersten beiden neben den Steinkreuzen sind den toten Soldaten des 2. Weltkriegs gewidmet.

Auf allen vier Tafeln gibt es nur Grossbuchstaben. Es wurde immer die gleiche Schrift in zwei Schnitten verwendet, die Tafeln sind aus gleichem Material und in gleicher Machart, im gleichen, modernen Design.
Es fällt auf, dass auf den Tafeln keine kriegerischen Symbole gezeigt werden: kein Stahlhelm, Lorbeerkranz, Adler oder Eichenlaub etc. Das ist sympathisch. Nur auf der Tafel zu den Feldzügen 1848/50 und 1870/71 sehen wir das militärische Ehrenzeichen ›Eisernes Kreuz‹ in bescheidener Größe als Kontur.
Die Widmung auf der ersten Tafel lautet:
DEN GEFALLENEN UND VERMISSTEN
DES ZWEITEN WELTKRIEGES 1939/45
Der folgenden Namensliste ist CISMAR über zwei Zeilen voran gestellt. Die toten Soldaten aus Cismar sind in drei Gruppen aufgeteilt, innerhalb der Gruppe sind sie nach Sterbejahren geordnet. Zwischen den Namen steht jeweils ein christliches Kreuz. Die erste Gruppe beginnt mit:
ES GABEN IHR LEBEN
Die Nennungen beginnen im dritten Kriegsjahr 1941 und gehen über fünf Jahre bis 1945, insgesamt sind es 49 Soldaten, allein 16 im letzten Kriegsjahr 1945. Die nächste Gruppe beginnt mit:
IN DER KRIEGSGEFANGENSCHAFT VERSTARBEN
1946 und 1947 je ein Soldat. Die dritte Gruppe beginnt mit:
ES BLIEBEN VERMISST
Ab 1942 waren es 24 Soldaten.
Zur Widmung passt ein Zitat von Hartmut Häger. Er schreibt in seinem Buch ›Kriegstotengedenken in Hildesheim‹, Gerstenberg 2006 auf Seite 60: »An den geliebten Menschen möchte man sich nicht im Zustand seiner Hinfälligkeit erinnern, sondern ihn als kraftvollen Menschen im Gedächtnis bewahren. Das am häufigsten verwendete Wort ›Gefallener‹ (oder ›gefallen‹) schließt die Dimension des Kraftvollen in seine Definition ein. Die Vorstellung eines ritterlichen Turniers leuchtet auf. Nur ein Aufrechter kann zum Gefallenen werden.«

Auch die zweite Tafel gilt den toten Soldaten des 2. Weltkriegs, die erste Zeile lautet:
ZUM TREUEN GEDENKEN GEWIDMET
In dieser Namensliste gibt es eine weitere Unterteilung: Es werden die vier Herkunftsorte der Soldaten genannt.
Für GRÖNWOHLDSHORST beginnt die Aufzählung mit:
ES GABEN IHR LEBEN
Für die Jahre 1940 bis 1945 werden 24 Soldaten genannt. Es folgt wieder
IN DER KRIEGSGEFANGENSCHAFT VERSTARBEN
1945 drei und 1949 ein Soldat. Jetzt wird es fast poetisch:
DAS DUNKEL DER UNGEWISSHEIT LIEGT ÜBER
einem Soldaten 1943, zweien 1944 und einem 1945.
Für GUTTAU beginnt die Aufzählung über fünf Kriegsjahre 1941 bis 1945 mit:
ES GABEN IHR LEBEN
15 Soldaten werden genannt. Weitere drei unter der Überschrift:
ES BLIEBEN VERMISST
Für LENSTE werden von 1941 bis 1945 neun Soldaten genannt unter:
ES GABEN IHR LEBEN
In RÜTING sind es 1939, 1941 und 1945 zusammen fünf Soldaten:
ES GABEN IHR LEBEN
VERMISST BLIEB 1944 ein Soldat.
Insgesamt sind in Cismar und den umliegenden Dörfern im 2. Wetkrieg 140 Soldaten gestorben.
Zu dieser Tafel zitieren wir Ralph Giordano, der sich Gedanken darüber gemacht hat, was zum Gedenken an tote Soldaten hinzugefügt werden müsste: »Auf welchem dieser steinernen oder metallenen ›Ehrenmale‹ wurde beim Namen genannt, für wen oder was gestorben worden ist? Kein Wort von nationaler Machtpolitik, von Hegemonialstreben, nackten Besitzinteressen, Beutegier, Eroberungsgelüsten und Weltherrschaftsphantasien, für die Millionen von deutschen und fremden Soldaten umgekommen sind. Diese Motive werden ebenso wenig genannt wie die Namen derer, die in den beiden Weltkriegen aus dem Massensterben Profit geschlagen, Blut in Gold verwandelt und zu ihrem eigenen militärischen Ruhm gewissenlos ganze Armeen geopfert haben.«

Die dritte Tafel gilt den toten Soldaten des 1. Weltkriegs. Die Widmung lautet:
DEN GEFALLENEN UND
VERMISSTEN 1914 - 1918
Die Aufzählung beginnt wieder in gleicher Weise in CISMAR.
ES GABEN IHR LEBEN über die Kriegsjahre 1914 bis 1918 23 Soldaten. IN GEFANGENSCHAFT VERSTARB 1920 ein Soldat, VERMISST wurde ein Soldat.
In GUTTAU: ES GABEN IHR LEBEN über die Kriegsjahre 1915 bis 1918 13 Soldaten.
In LENSTE: IHR LEBEN GABEN über die Kriegsjahre 1915 bis 1918 acht Soldaten. IN GEFANGENSCHAFT VERSTARB 1921 ein Soldat
In RÜTING: IHR LEBEN GABEN im Kriegsjahr 1917 drei Soldaten.
Insgesamt sind in Cismar und den umliegenden Dörfern im 1. Weltkrieg 50 Soldaten gestorben.

Am Ende der Tafel steht in großen Lettern ein Hinweis auf die Geschichte des Soldatengedenkens in Cismar:
1922 ERRICHTET VOM KAME-
RADSCHAFTSBUND FÜR CISMAR
UND UMGEBUNG • ERWEITERT
WURDE DIESE EHRENSTÄTTE
VON DEN EINWOHNERN DER
GEMEINDE CISMAR A•D•1956
»Das sind natürlich Erinnerungen an Menschen, die man lieb hat. [...] Da fällt es schwer zuzugestehen, dass jemand, um den man trauert, einerseits Opfer war – auf jeden Fall Opfer – und auf der anderen Seite auch Teil eines verbrecherischen Regimes war, ob er nun wollte oder nicht. Aber es ist eine Frage der historischen Ehrlichkeit, dass wir uns solchen Fragen stellen.«
• Wolfgang Froese, Stadtarchivar von Gernsbach, Badische Neueste Nachrichten 4.10.2019
Lesen Sie weiter unten mehr im Kapitel »Kameradschaftsbund«

Auf der letzten Tafel wird der frühesten Kriege in dieser Tafelreihe gedacht. Diesmal mittig gesetzt lesen wir Widmung und Namen:
ZUM GEDENKEN
DER IN DEN
FELDZÜGEN
1848/50 UND 1870/71
VERSTORBENEN
KRIEGER
Es folgen drei Namen von toten Soldaten während der Schleswig-Holsteinischen Erhebung 1848/50 und drei Namen zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/71.
›Feldzüge‹ ist eher untertrieben, das waren schon veritable Kriege.
Lesen Sie dazu auch die Kapitel »Die Schleswig-Holsteinische Erhebung« und »Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71«.
Zum Schluss möchten wir auf die schreckliche Bedeutung des technischen »Fortschritts« für Kriege am Beispiel der Soldatentafeln in Cismar hinweisen. In 100 Jahren – und hier zählen wir nur die toten Soldaten – ergeben sich:
Ab 1848 in zwei Kriegsjahren drei tote Soldaten.
Ab 1870 in zwei Kriegsjahren drei tote Soldaten.
Ab 1914 in vier Kriegsjahren 50 tote Soldaten.
Ab 1939 in sechs Kriegsjahren 140 tote Soldaten.

Am 12. August 2022 weht die Deutschlandfahne über allen.
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Aus der Geschichte
Die Postkarte aus dem Archiv von Hans-Uwe Hartert ist nicht datiert. Sie zeigt die ursprüngliche Denkmalsanlage zum 1. Weltkrieg, die später abgerissen wurde. Wie wir von Eberhard Dörr aus Cismar erfahren haben, stand das Denkmal ganz in der Nähe des heutigen Friedhofs.

In ihrem aufwändigen Aufbau ähnelt sie der nicht weit entfernten Anlage in Kellenhusen. Wir vermuten deshalb, dass auch das Kriegerdenkmal in Cismar vom Kameradsschaftsbund initiiert wurde.
Kriegerdenkmal in Kellenhusen
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Die Tafeln im Kloster
Auch auf einer kunstvoll geschnitzten Holztafel im Kloster werden die Kriege des 19. Jahrhunderts zusammengezogen.

Die Widmung auf der schwarzen Texttafel lautet:
Zum Andenken
der in den Feldzügen von 1848/50
& 1870/71 verstorbenen Krieger.
Die hier ungeordnete Namensliste ist dann allerdings auf der neuen Tafel auf dem Friedhof in die richtige Reihenfolge gebracht worden.
Neben allerlei militärischer und ehrender Symbolik sehen wir oben den Reichsadler – angelehnt an den preußischen Adler, am Sockel die Wappen der beiden Herzogtümer Schleswig: links zwei Löwen und Holstein: rechts das Nesselblatt. Die Löwen sind die Wappentiere des dänischen Königs. Sie zeigten die Lehnsabhängigkeit des Herzogtums Schleswig vom dänischen Königreich.
Der untere Abschluß zeigt zwischen Palmblättern den Orden »Kreuz für Auszeichnung im Kriege«, der im Deutsch-Französischen Krieg verliehen wurde.
Mehr zu beiden »Feldzügen« in den letzten beiden Kapiteln
Die Tafel zum 1. Weltkrieg ist im flachen Relief als Säulenhalle gestaltet. In der Mitte sehen wir das militärische Ehrenzeichen eines Eisernen Kreuzes.

Zwischen den Säulen lesen wir die Namen der toten Soldaten, nach ihren Heimatorten aufgeteilt und nach Todesdatum geordnet. Hier sind nun zu den 50 auf der Friedhofstafel Genannten 19 Soldatennamen dazu gekommen. Es werden noch mehr Nachbardörfer berücksichtigt, aber es gibt auch Abweichungen innerhalb der parallel aufgezählten Namenslisten.
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Zwei Eichen
Die Friedenseiche in der Bäderstraße ist nach dem 26. Februar 1871 gepflanzt worden. Sie und der Gedenkstein sind in der Denkmaldatenbank Schleswig-Holstein unter der Objektnummer 38426 verzeichnet.
Foto: LDSH 2016
Aus der Beschreibung: »Eiche als Gedenkbaum nach Abschluss des Deutsch-Französischen Krieges gepflanzt wie der Gedenkstein zu erkennen gibt, eine aufrecht stehende Granitplatte mit Blendfeld und der Inschrift ›Friedens Eiche 1870/71‹. Solche Gedenkeichen wurden nach dem Ende des Deutsch-Französischen Krieges in ganz Deutschland als Friedens-, Kaiser- oder Siegeseichen gepflanzt, in Schleswig-Holstein meist mit einem nebenstehenden Findling als Gedenkstein. Hiervon hebt sich die eigens bearbeitete Platte ab, auch die explizite Bezeichnung des Baumes als Friedenseiche ist selten anzutreffen. Die stattliche Eiche steht an exponierter Lage an dem Abzweig zur Keimzelle des Ortes, dem Kloster, von der Durchgangsstraße aus. Ortsbildprägendes Denkmal der Erinnerungskultur.« Lizenz: CC BY-SA 4.0
Mehr im Kapitel Deutsch-Französischer Krieg 1870/71.
Die Bischofs-Eiche steht am Eingang zum Friedhof. Die Inschrift auf dem Gedenkstein »Bischofs-Eiche 1238 1968« steht für die Geschichte der Kirchengemeinde.

Auf der Website der Gemeinde wird sie beschrieben: »Die Geschichte der Kirchengemeinde beginnt mit der Gründung des Benediktiner-Klosters Cismar durch Graf Adolf IV. von Schauenburg im Jahre 1238. Die erste Gemeinde war also eine Mönchsgemeinde, die etwa 300 Jahre im Kloster lebte und ihre Gottesdienste zusammen mit den damals nach Cismar strömenden Pilgern feierte.
Als das klösterliche Leben nach Einführung der Reformation zum Erliegen kam, beherbergte das ehemalige Kloster nur noch die Hausgemeinde des Cismarer Amtmannes. Aber eben diese kleine Hausgemeinde war die erste evangelisch-lutherische Gemeinde in Cismar.
Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert fanden jahrzehntelang keine Gottesdienste mehr in der nunmehr verschiedentlich zweckentfremdeten Klosterkirche statt. Als aber der dänische König zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Wiederaufnahme der Gottesdienste in Cismar verfügte, begann sich wieder eigenständiges Gemeindeleben im Kloster zu rühren.
Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde wurde während all dieser Jahre vom zweiten Geistlichen aus Grube mitversorgt. Die entscheidende Wende zur Selbständigkeit der Cismarer Gemeinde brachte erst das Jahr 1911, in dem Cismar zum eigenständigen Pfarrbezirk der Kirchengemeinde Grube erklärt wurde.
Am 1. Juli 1968 schließlich wurde Cismar eine eigenständige Kirchengemeinde mit eigenem Kirchengemeinderat und eigener Pfarrstelle.«

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Dr. Richard Bruhn
Richard Bruhn ist am 25. Juni 1886 in Cismar geboren. Er war ab 1932 Vorstandsvorsitzender der Auto Union AG und nach dem 2. Weltkrieg Geschäftsführer und Aufsichtsratsvorsitzender des Nachfolgeunternehmens Auto Union GmbH.
Bericht auf www.cismar.de: »Durch einen Zufall stießen drei Cismaraner auf die Spur dieses großen Sohns des Klosterdorfes und verfolgten sie mit beinahe kriminalistischer Akribie. Nachdem zahlreiche Daten, Urkunden, Unterlagen, Fotos und Zeitzeugenberichte gesammelt und verifiziert waren, begeisterte sich auch die AUDI-AG und beteiligte sich an dem Cismarer Vorhaben. Durch Kontakte zu zwei Söhnen von Dr. Bruhn und zu Dr. Carl Hahn [Bruhns Managerkollege bei der Auto Union] ergaben sich neue Quellen, und so nahm Gestalt an, was am 16. Juli 2000 im Saal der Bürgerbegegnungsstätte Klosterkrug Cismar und auf dem Außengelände stattfand: die Eröffnung der Dr. Richard Bruhn-Wochen 16.7.-7.8.2000. [...] Im Saal der Bürgerbegegnungsstätte Klosterkrug Cismar eröffneten ein kurzer Vortrag und Grußworte die Dr. Richard Bruhn-Wochen, im Anschluss daran wurde eine Gedenktafel enthüllt und die dreiwöchige Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert, in der die Cismaraner den Lebensweg Dr. Bruhns und die AUDI-AG die Geschichte der Technik von AUTO-UNION bis AUDI aufzeigen.«

Bericht und Foto aus dem Jahr 2000 stammen aus dem Momento in ›Internet Archive‹. Seit 1996 sammelt ›Internet Archive‹ Werke ohne Urheberrechtsanspruch und stellt sie als Download zur Verfügung – mittlerweile über eine Million legale Dateien.
Mehr: www.cismar.de in ›Internet Archive‹

Dieses neue Gebäude beherbergt die Bürgerbegegnungsstätte Klosterkrug mit Saal, Bühne etc. Früher stand an gleicher Stelle der historische Klosterkrug. Bis 2019 gab es den Plan das stark renovierungsbedürftige Gebäude zu erhalten, aber die Gemeinde Grömitz als neue Besitzerin entschied sich für einen Neubau.
Mehr über die Geschichte des Klosterkrugs
Auf der Rasenfläche rechts daneben wurde im Juli 2000 der Gedenkstein für Richard Bruhn eingeweiht.

Im Sommer 2020 wurde an der Aussenwand des Gebäudes zusätzlich eine Informationstafel angebracht.

Auf der Bronzegussplatte des Findlings aus dem Jahr 2000 steht:
ZUR ERINNERUNG AN
DR. RICHARD BRUHN
*25.6.1886 IN CISMAR
GRÜNDER DER
AUTO UNION AG 1932
Vier Ringe – die seit 1932 für die Fusion von Audi, Horch, Wanderer und DKW stehen und bis heute das Logo der Auto Union darstellen.

20 Jahre später wird die Geschichte von der Gemeinde Cismar auf einer schwarzen Granittafel an der Gebäudemauer präzisiert:
Dr. Richard Karl Wilhelm Bruhn,
der spätere Gründer (1932) und
Wiedergründer der AUTO-UNION AG
nach dem zweiten Weltkrieg, wurde
in Cismar geboren und eingeschult.
Während des zweiten Weltkrieges wurden
Zigtausende Fremd- und Zwangsarbeiter
sowie Konzentrationslagerhäftlinge beschäftigt,
von denen Tausende ums Leben kamen.
Dr. Bruhns Rolle während dieser Zeit
zu beurteilen, legen wir in die Hände
eines Jeden, der diese Zeilen liest.
Der letzte Satz empörte einige Bürger:innen in Cismar. Lokalhistoriker Jörg Schemmer recherchierte genauer und deckte die Verantwortung von Richard Bruhn für den Tod tausender Zwangsarbeiter und seine Einstufung als hochrangiger Nationalsozialist in der späten Nachkriegszeit auf.
Oktober 2020: Der NDR bringt im Schleswig-Holstein-Magazin einen Beitrag zum Richard Bruhn-Gedenken in Cismar.
Zeitreise: Cismars problematischer »großer Sohn«
Auf www.der-reporter.de wird die weitere Entwicklung dokumentiert.
Dezember 2020: »Der Streit um den Gedenkstein für Richard Bruhn in Cismar ist beendet. [...] In das Thema, aufgedeckt von Jörg Schemmer, hatte sich sogar Landesbildungsministerin Karin Prien eingeschaltet. Auch seien Beratungen mit einer Bürgerstiftung [gemeint ist hier Dr. Stephan Linck, Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten] erfolgt, wie Bürgervorsteher Heinz Bäker erklärte. In der Sitzung der Gemeindevertreter am vergangenen Donnerstag in der Ostholsteinhalle entschied man sich dafür, sowohl den Stein als auch die erst im Sommer angebrachte Infotafel abzubauen. Diese enthalte missverständliche Formulierungen. Alle Fraktionen waren sich weitestgehend einig, dass sich ›Geschichte nicht zuschütten lasse‹, wie Mechtild Piechulla (SPD) mahnte. Aus diesem Grund soll an gleicher Stelle eine neue Hinweistafel aufgestellt werden, die sich kritisch mit der Person Richard Bruhn auseinandersetzt.«
Mai 2021: »Den Mitgliedern der Gemeindevertretung wurde am vergangenen Donnerstagabend in der Ostholsteinhalle der nahezu fertige Entwurf für die geplante Aufklärungstafel um Richard Bruhn präsentiert. Im vergangenen Dezember hatte das Gremium entschieden, den Gedenkstein vor dem Klosterkrug in Cismar abzubauen und sich von Bruhns Taten zu distanzieren. [...] Der Entwurf für die Tafel wurde genehmigt – diese kann nun zur Fertigung in Auftrag gegeben werden.«

Und das ist sie nun, die neue Tafel (Foto leider mit Spiegelungen). Unter der Überschrift »Folgendes Lehrstück jüngerer deutscher Geschichte ist Teil der Gemeinde Grömitz– kann aber überall geschehen.« wird über die Chronologie des Richard Bruhn-Gedenken in Cismar informiert:
1886 wird Richard Bruhn hier in Cismar geboren, promoviert 1921 in Kiel im Fach Staatswissenschaften und wird 1932 Vorstandsvorsitzender der Auto Union AG. Der expandierende Konzern produziert im 2. Weltkrieg von Munition bis zu Motoren für Panzer und Flugzeuge nahezu alles. Als Wehrwirtschaftsführer unterhielt Dr. Richard Bruhn enge Kontakte zu Adolf Hitler und Albert Speer. Er stirbt 1964 in Düsseldorf.
2000 Zu Ehren Bruhns findet die Dr. Richard Bruhn-Woche hier im Klosterkrug statt, begleitet von einer Oldtimerausstellung. In Anwesenheit von Familie und Ehrengästen wird ein Gedenkstein enthüllt und an dieser Stelle niedergelegt. Bereits zu diesen Feierlichkeiten ist seine Rolle in der NS-Zeit in Teilen bekannt.
2014 Immer deutlicher wird im Bewusstsein der Bevölkerung, dass die Kriegsproduktion nur durch Untertageverlagerung im von Bruhn selbst konzipierten Kalkbergwerk Leitmeritz möglich war. Insgesamt 18.000 KZ-Häftlinge mussten in Leitmeritz Zwangsarbeit leisten. Davon starben 4.500 unter den mörderischen Arbeits- und Lebensbedingungen. Die Audi AG veröffentlicht dazu im Jan. 2014 eine Studie. Das Heimatblatt »Cismarer Bote« zeigt 2014 die Rolle Bruhns auf. Doch der Gedenkstein bleibt zunächst liegen.
2020 wird an der Wand des Klosterkrugs in der Nähe des Gedenksteins eine Granittafel mit unzulänglichen und missverständlichen Formulierungen angebracht.
2021 Dieser gerade gelesene Text wird zur Erklärung der Vorgänge aufgestellt. Der Gedenkstein und die missverständliche Tafel werden entfernt. Die Gemeinde distanziert sich von den Taten Dr. Richard Bruhns.
Wer mehr zum Werdegang von Richard Bruhn wissen möchte, kann hier weiterlesen:
»In der Folge wurde Bruhn von der Britischen Besatzungsmacht interniert und musste sich dem Entnazifizierungsverfahren stellen. Obgleich Bruhn als Leiter der Auto Union auch für die Beschäftigung von tausenden Kriegsgefangenen und Fremdarbeitern die Verantwortung trug, wurde er im Spruchkammerverfahren als unbelastet freigesprochen und ging nach seiner Entnazifizierung ins bayrische Ingolstadt in die Amerikanische Besatzungszone Deutschlands. [...] Neben der Verleihung der Ehrendoktorwürde 1952 durch die RWTH Aachen für seine Verdienste um die deutsche Kraftfahrzeugindustrie erhielt Bruhn 1953 auch das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.«
Wikipedia / Richard Bruhn
Die WirtschaftsWoche, Deutschlands führendes Wirtschaftsmagazin, hat zwei Studien zum Auto-Union-Konzern in der Zeit des Nationalsozialismus in Auftrag gegeben. Einen Forschungsbericht ›Auto Union‹ beim Institut für Geschichtswissenschaften an der Universität Bonn für die Zeit des »Dritten Reich«
und eine Studie über »Umfang und Interpretation des Einsatzes von Zwangsarbeitern für den Auto-Union-Konzern im Zweiten Weltkrieg« beim Deutschen Historischen Institut Paris
»Audi zieht Konsequenzen aus der NS-Vergangenheit seines Vorgänger-Unternehmens Auto Union und distanziert sich vom wichtigsten Manager der eigenen Historie. Mitte Juli wird nach Informationen der WirtschaftsWoche deshalb eine der Audi-Pensionskassen umbenannt.
Wie das Magazin berichtet hat Gesamtbetriebsratschef Peter Mosch beantragt, den Namen des langjährigen Auto-Union-Vorstandschefs und bisher hoch verehrten Audi-Nachkriegsgründers Richard Bruhn aus der Bezeichnung ›Dr.-Richard-Bruhn-Hilfe-Altersversorgung der Auto Union‹ zu streichen. ›Das Unternehmen unterstützt den Antrag des Betriebsrats‹, sagte ein Audi-Sprecher.
Der Konzern reagiert damit auf die aktuelle Veröffentlichung einer historischen Studie über die Unternehmensgeschichte und auf die von WirtschaftsWoche enthüllten NS-Verstrickungen des Vorgänger-Unternehmens und seiner Manager.«
www.wiwo.de, Harald Schumacher am 14. Juni 2014
Wir geben »Richard Bruhn Audi« ins Google-Suchfeld ein. Auf der Website der Audi AG erhalten wir folgende Auskunft: »http://www.audi.de › brand › historie › persoenlichkeiten. Für diese Seite sind keine Informationen verfügbar«
Und zum Schluß noch ein Screenshot von ›Internet Archive‹. Aus dem Lebenslauf von Richard Bruhn auf www.cismar.de im Jahr 2000. 1931 bis 1945: nichts gewesen!

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»De Düdesche Schlömer«
Auf dem nächsten Grundstück an der Bäderstraße in Richtung Kloster steht eine Bronzeplastik von Karlheinz Goedke. Der Förderkreis Kloster Cismar hat sie errichten lassen.

Das Denkmal erinnert an Pastor Johannes Stricker, den ersten von mittlerweile 37 evangelischen Pastoren in Cismar. Er wirkte hier von 1561 bis 1572 und betätigte sich nebenher als Dramatiker. Bei Wikipedia kann man über ihn lesen:
»Johannes Stricker war der Sohn des gleichnamigen Gruber Priester, der im Zuge der Reformation heiratete. Nach dem Besuch des Katharineums zu Lübeck und kurzem Studium an der Universität Wittenberg wurde Stricker 1561 ordiniert, als er vom Amtmann Benedikt von Ahlefeldt als Prediger an die Klosterkirche in Cismar berufen wurde. In seinem Amt wurde er mit den Ausschweifungen und Übergriffen des holsteinischen Adels konfrontiert, die noch zunahmen, als das Amt Cismar 1576 an Detlef von Rantzau auf Kletkamp verpfändet wurde. Stricker war durch seine in Predigten und Schriften offen geäußerte Kritik den Nachstellungen der Adligen ausgesetzt. 1584 flüchtete er in die Reichsstadt Lübeck, wo er 1587 eine Predigtstelle an der Burgkirche erhielt. Im selben Jahr erschien sein bedeutendstes Werk in der Druckerei von Johann Balhorn, das mittelniederdeutsche Drama De düdesche Schlömer (Der deutsche Schlemmer). Das Stück, das Stricker dem Bischof von Lübeck, Eberhard von Holle, widmete, gilt sowohl als ein bedeutendes Sprachdenkmal des Mittelniederdeutschen als auch als eine originelle Bearbeitung des Jedermann-Stoffes.«
• Abgerufen am 7. Mai 2022

Die drei Figuren auf dem hellen Granitsockel stellen die Buhlin, den Schlömer und den mahnenden Pastor dar. Es sind die Personen aus Strickers Theaterstück »De düdesche Schlömer« (Der deutsche Schlemmer). Der Inhalt des Stückes wurde zum Vorbild für das »Jedermann«-Spiel von Hugo von Hofmannsthal.

Inschrift auf der Rückseite des Sockels: »Die Ermahnung des Schlömers«
In unregelmäßigen Abständen wird »De Düdesche Schlömer« immer wieder in neuer plattdeutscher Bearbeitung in der Klosterkirche Cismar zur Aufführung gebracht.
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1784: Aufhebung der Leibeigenschaft
Weiter auf der Bäderstraße kommt man hinter dem von einem Wallgraben umgebenen Kloster auf einen Rundgang, der nach ein paar Metern an einem Gedenkstein vorbeiführt.

Das Gebiet jenseits des Friedhofs am Kloster mit dem Eingang zur Erinnerungsstätte.

»Gedenkstein zur Aufhebung der Leibeigenschaft 1784«, was bedeutet Leibeigenschaft?
Der Duden nennt als Synonyme zu leibeigen: abhängig, entrechtet, rechtlos, unterdrückt.
Wikipedia führt aus: »Leibeigene waren zu Frondiensten verpflichtet und durften nicht vom Gutshof des Leibherrn wegziehen. Sie durften nur mit Genehmigung des Leibherrn heiraten und unterlagen seiner Gerichtsbarkeit. [...] Die Leibeigenschaft lag ihrer Ausgestaltung nach oft zwischen Sklaverei und Hörigkeit. Sklaverei und Leibeigenschaft sind heute gleichermaßen geächtet.«
Im Schleswig-Holstein Lexikon lesen wir: »Mit der Entwicklung der Gutsherrschaft entstand auch die Leibeigenschaft. Bereits um 1500 hatten schon zahlreiche so genannte ›gutsuntertänige‹ Bauern einen der Leibeigenschaft nahekommenden Status. Die Leibeigenen waren ohne Besitz an Hof und Land, ihren Herren zu Diensten verpflichtet und durch das so genannte ›Schollenband‹ daran gehindert, wegzuziehen. Die rechtliche Grundlage für die Leibeigenschaft erhielt die Ritterschaft am 6. Mai 1524 von Friedrich I., [Herzog von Schleswig-Holstein, seit 1523/24 König von Dänemark und Norwegen] der ihnen die Hand- und Halsgerichtsbarkeit über ihre Untertanen zusprach. Vom 16. Jahrhundert an setzte sich die Leibeigenschaft auf allen Gütern durch. Erst mit dem Beginn des 18. Jahrhunderts hörte sie auf, sich weiter zu verbreiten. Im Zuge der Aufklärung wurde die Leibeigenschaft mehr und mehr als menschenunwürdig betrachtet. Der holsteinische Gutsherr Hans Graf zu Rantzau schaffte von 1739 wie auch Benedikt Wilhelm von Ahlefeldt auf ihren Gütern Schritt für Schritt die Leibeigenschaft ab. Sie waren Vorreiter.«
Quelle: Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt und Ortwin Pelc (Herausgeber), Schleswig-Holstein Lexikon, 2. erweiterte und verbesserte Auflage, 2006, Neumünster, Wachholtz-Verlag

Auf der Frontseite des Steins ist ein Bauer bei der Aussaat im Relief dargestellt. Der kräftig ausschreitende Mann greift gerade in seinen Beutel, er trägt einen Sonnenhut. Die Ackerfurchen und die auf- oder untergehende Sonne sind stilisiert dargestellt. Die abgerundete Fläche der Darstellung liegt unter zwei tiefergelegten kleinen Flächen. Ob damit eine Botschaft vermittelt werden soll, konnten wir nicht erkennen.

Eingemeißelt in ein halbrundes Feld unter dem Relief:
AUFHEBUNG
DER
LEIBEIGENSCHAFT
»Es kommt uns so lange zurückliegend vor und doch sind erst gut zweihundert Jahre ins Land gegangen, seit Immanuel Kant ausrief ›Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!‹ und die von ihren Grundherren ausgebeuteten Bauern und Landarbeiter in der Folgezeit ›befreit‹ wurden, ihnen nicht nur Pflichten auferlegt, sondern auch Rechte gegeben wurden.«
• Reiseseite von Folkert Frels, Allgemeine Zeitung der Lüneburger Heide, 21.7.2007

Auf der linken Seite des Gedenksteins sind zwei Jahreszahlen angegeben:
1783
1805
1783 für den Beginn der Aufhebung der Leibeigenschaft auf einzelnen Gütern und 1805 für die Abschaffung der Leibeigenschaft im dänischen Gesamtstaat am 1. Januar 1805. Sie wurde in den Herzogtümern Schleswig und Holstein aufgrund einer königlichen Verordnung vom 19.12.1804, mit Wirkung zum 1. Januar 1805 »gänzlich und für immer« abgeschafft, soweit die Gutsherren ihre Untertanen nicht schon vorher daraus entlassen hatten.
Das Zeichen über den Jahreszahlen ist das Monogramm von Christian VII., König von Dänemark und Norwegen von 1766 bis 1808 und Herzog von Schleswig und Holstein.
Foto: Wikimedia Commons / Orf3us / Lizenz CC BY-3.0 SA DE
Christian VII. galt als geistesgestört. Der Nachwelt bekannt ist er vor allem wegen der Affäre um seinen Leibarzt Johann Friedrich Struensee.
Ab 1772 führte der dänische Theologe und Historiker Ove Jørgensen Høegh-Guldberg faktisch die Regierung in Dänemark.
1784 entmachtete Christians Sohn Friedrich Høegh-Guldberg und regierte als Kronprinzregent an Stelle seines Vaters. Er war ein Freund der Aufklärung und führte eine Reihe Reformen durch u.a. die Aufhebung der Leibeigenschaft.
Mehr zu Christian VII. auf Wikipedia

Auf der rechten Seite des mächtigen Findlings ist eine dritte Botschaft eingemeißelt.

Kunstvoll ineinander verschränkt steht dort die Jahrhunderte alte, bis heute gültige These:
BAUERN
LAND
IN
BAUERN
HAND
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Kameradschaftsbund
»Militärische Vereine spielten früher im gesellschaftlichen Leben eine weit größere Rolle als heute! Geachtet war nur der Mann, der ›gedient‹ hatte. Im Zivilleben konnte man durch die Mitgliedschaft in einem Militärverein am Ansehen, dass der Soldatenstand genoß, weiter teilhaben. So wurden die ›Kriegervereine‹, wie sie seit der Mitte des 19. Jahrhunderts genannt wurden, die mitgliederstärkste Vereinsform in Deutschland. Am Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgte ihr Zusammenschluß zum ›Kyffhäuserbund‹. Neben allgemeinen Kriegervereinen bildeten sich Kameradschaften bestimmter Regimenter oder Waffengattungen. [...]
In engem Zusammenhang mit dem Kriegsvereinswesen stehen viele Denkmäler in Stadt und Land: Die Vereine regten ihre Errichtung an, spendeten Geld dafür und marschierten bei ihrer Einweihung auf.«
• Ludwig Arndt, Militärvereine in Norddeutschland, BOD, Werbetext zum Buch, 2008
»In Deutschland war die Trauer um die getöteten Soldaten gleichzeitig verbunden mit der Erinnerung an eine Niederlage. Das Kriegserlebnis wurde zu einem Mythos geformt, der das Sinnhafte des Kampfes und der Opfer hervorheben sollte:
›Die Erinnerung an den Krieg wurde zu einem heiligen Erlebnis umgedeutet, das der Nation eine neue Tiefe der religiösen Empfindung gab und überall präsente Heilige und Märtyrer, Stätten nationaler Andacht und ein zum Nacheifern aufforderndes Erbe lieferte.‹ (Mosse, 13) Der Gefallenenkult wurde zu einem zentralen Bestandteil nationaler Selbstdarstellung und entwickelte besonders in Deutschland eine gewaltige politische Wirkung.
Das Ideal der Kameradschaft wurde auf die ganze Nation ausgedehnt. Die Gedächtnisfeiern an den Ehrenmälern auf öffentlichen Plätzen betonten den Vorbildcharakter der Gemeinschaft der Frontsoldaten. Im besiegten Deutschland wurde die ›Volksgemeinschaft‹, aus der heraus die Nation zu neuer Stärke erwachen sollte, zum Vermächtnis, das die Gefallenen den Überlebenden hinterlassen hatten. Die allerorts errichteten Denkmäler trugen dazu bei, diesen Sinn, der dem Soldatentod beigelegt wurde, in die Öffentlichkeit zu tragen und im Bewusstsein zu erhalten.
Die von den Nationalsozialisten angestrebte Volksgemeinschaft ist ohne das idealisierte Vorbild der Frontkameradschaft des Ersten Weltkriegs nicht vorstellbar. Der Gefallenenkult erlebte im nationalsozialistischen Deutschland dann auch seine äußerste Steigerung.«
• Christian Lopau, Vortrag im Ratzeburger Dom im Begleitprogramm der Wanderausstellung der Nordkirche »Neue Anfänge nach 1945?«, 2017
Vortrag auf www.nordkirche-nach45.de

Eine Todesanzeige in der Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 23. März 2005 (!)
2006 beantwortete die Bundesregierung die kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE zu Traditionsverbänden, Kameradschaftsvereinen und Rechtsextremismus.
Deutscher Bundestag Drucksache 16/1282
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die Schleswig-Holsteinische Erhebung
Mit Feldzug 1848 / 50 auf der Gedenktafel ist die Schleswig-Holsteinische Erhebung gemeint. Sie entstand im Zusammenhang mit den revolutionären Bewegungen 1848 als Konflikt zwischen den nationalistischen Strömungen in Dänemark und Deutschland. Die Schleswig-Holsteiner strebten die gemeinsame Loslösung der beiden Herzogtümer aus dem deutsch-dänischen Gesamtstaat und die Eingliederung beider in den Deutschen Bund an. Die dänischen Nationalisten wiederum strebten einen Nationalstaat an, zu dem nur das Herzogtum Schleswig gehören sollte.
Foto: Wikimedia Commons / gemeinfrei
1850: Die Schleswig-Holsteinischen Truppen bei der Mittagsrast
Über diesem Konflikt kam es zu einem – mit Unterbrechungen – dreijährigen Krieg (1848 – 1851), bei dem die Schleswig-Holsteiner von den Staaten des Deutschen Bundes unterstützt und nach anfänglichen Erfolgen schlussendlich von der dänischen Seite besiegt wurden.
Dem britischen Premier Lord Palmerston (1784 bis 1865) zufolge war die Schleswig-Holstein-Frage so kompliziert, dass nur drei Menschen sich darin auskennen würden: Albert von Sachsen-Coburg-Gotha, Prinzgemahl von Queen Victoria, der schon tot sei, ein Professor, der verrückt geworden sei, und er selbst, doch habe er alles wieder vergessen, sonst wäre er auch verrückt geworden.
Die ganze Geschichte auf Wikipedia
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Deutsch-Französischer Krieg 1870/71
... war eine militärische Auseinandersetzung zwischen Frankreich einerseits und dem Norddeutschen Bund unter der Führung Preußens sowie den mit ihm verbündeten süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt andererseits.
Auslöser war der Streit zwischen Frankreich und Preußen um die Frage der spanischen Thronkandidatur eines Hohenzollernprinzen. Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck ließ die Emser Depesche, mit der er darüber informiert worden war, dass König Wilhelm I. die französischen Forderungen abgelehnt hatte, in provokant verkürzter Form veröffentlichen. Dies erregte auf beiden Seiten nationalistische Empörung und veranlasste den französischen Kaiser Napoléon III. am 19. Juli 1870 zur Kriegserklärung an Preußen.
Von den großen Schlachten gingen im gesamten Kriegsverlauf alle für Frankreich verloren oder endeten im Patt. Im Februar 1871 fand sich die französische Regierung, nach dem Fall von Paris, zum Vorfrieden von Versailles bereit.
Noch während Paris von deutschen Truppen belagert wurde, proklamierten die deutschen Fürsten und Vertreter der Freien Städte am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Versailler Schlosses den preußischen König Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser, eine Demütigung für die Franzosen. Hohe Reparationszahlungen und vor allem der Verlust Elsaß-Lothringens erzeugte einen dauerhaften, gegen Deutschland gerichteten Revanchismus. In Deutschland wiederum verfestigte sich die Vorstellung von der so genannten Erbfeindschaft gegenüber Frankreich.
Foto: Wikimedia Commons / gemeinfrei
Die Kaiserproklamation in Versailles, Wandgemälde von Anton von Werner für die Ruhmeshalle Berlin. 1944 wurde es nach einem Bombentreffer zerstört.
»Die Deutung der Kaiserproklamation vom 18. Januar 1871 im Versailler Spiegelsaal als Demütigung Frankreichs gehörte ebenso zum erinnerungspolitischen Konzept des im Kaiserreich vereinten Deutschland wie die alljährliche Zeremonie des Sedantages, an dem der entscheidende Sieg vom 2. September 1870 gefeiert wurde. Doch jede Demütigung zieht die nächste nach sich, und so muss es kaum verwundern, dass Frankreich im Sommer 1919 nach Beendigung des Ersten Weltkrieges seinen Sieg über Deutschland ausgerechnet im Spiegelsaal von Versailles auskostete. Es gehört sicherlich zu den grössten Verdiensten Charles de Gaulles, dass er nach 1945 kein «drittes Versailles» folgen liess, sondern mit dem Elysée-Vertrag vom 22. Januar 1963 die Kette gegenseitiger Demütigungen durchbrach.«
• Der Historiker Clemens Klünemann in Neue Zürcher Zeitung, 9.1.21
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